TRUMP - FRIEDENSSTIFTER ODER KRIEGSTREIBER?

Es ist nicht leicht, Donald Trumps außenpolitische und militärische Aktivitäten schon Wochen vor seinem Amtsantritt zu beurteilen. Aber er war ja schon einmal Präsident und vom ihm selbst, aber auch aus seiner früheren und gegenwärtigen Umgebung, gibt es etliche Anhaltspunkte, um eine vorläufige Beurteilung vorzunehmen.

Aus all den Überlegungen, die sich auf die erste Periode der Präsidentschaft von Donald Trump und den Änderungen von ihm selbst und aus seiner Umgebung ergeben, ergibt sich ein unsicheres Bild für seine zukünftige Präsidentschaft.

Trump Doktrin

So formulierte Michael Anton, der von 2017 bis 2019 Mitglied des National Security Council war, schon im April 2020 im "Foreign Policy" Magazin recht deutlich die Grundsätze der "Trump Doktrin". Diese stellt die Nation mit dem Vorrang der eigenen Interessen in den Mittelpunkt. Diesbezüglich meint Michael Anton: "Es wird immer Nationen geben und nationalistische Gefühle zu unterdrücken ist gegen die Natur: Es ist sehr schwer und gefährlich." Und an anderer Stelle meint er: "Nationalismus und nationale Souveränität sind der Natur inhärent." Was er allerdings dabei übersieht, ist, dass es in der Menschheitsgeschichte erst seit einer sehr kurzen Zeit Nationen gibt und schon aus diesem Grund diese nicht natürlich sein können. Was für ihn und Trump natürlich ist, ist in Wahrheit eine politisch motivierte Charakterisierung.

Für Michael Anton sind jedenfalls Abweichungen vom Nationalismus, wie sie die Europäische Union anstrebt, ein Betrug an der Natur und den Menschen und daher zum Scheitern verurteilt. Trumps Politik ist die Rückkehr zur Normalität. Und auch von Trump selbst wissen wir, dass er nicht viel von Allianzen und internationaler Zusammenarbeit und schon gar nichts von der Europäischen Union hält.

Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater von 2019 bis 2021 Robert C. O'Brien hat seine Analyse in "Foreign Affairs" vom Juli/August 2024 unter den Titel "Die Rückkehr zum Frieden durch Stärke" gestellt. Für ihn ist Trump eindeutig ein Friedensstifter. Ob es sich um den Nahen Osten handelt – diesbezüglich erwähnt O'Brien die Abraham-Abkommen zwischen Israel und einigen arabischen Staaten und die Aufkündigung des Nuklear Ankommens mit dem Iran – oder um Nordkorea oder um das Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo, überall hat die Politik Trumps der Welt zum Frieden geholfen.

Sehr nachhaltig allerdings können diese Initiativen von Trump nicht gewesen sein. Die erwähnten, von Trump initiierten, Abkommen zwischen Israel und einigen arabischen Staaten haben das Problem der Palästinenser missachtet, was  die Terrorattacke der Hamas von 7. Oktober mitverursacht, jedenfalls nicht verhindert, hat. Und die Aufkündigung des Wiener Iran-Abkommens hat den Iran veranlasst sein Atomprogramm weiter zu entwickeln und ihn keineswegs motiviert Zurückhaltung bezüglich der Unterstützung verschiedener Milizen in der Region an den Tag zu legen. Nordkorea hat inzwischen Truppen zur Unterstützung der russischen Aggression nach Europa gesandt. Es hat überdies einige Schritte weg von einer Verständigung mit dem Süden gemacht. Auch die Spannungen zwischen Serbien und Kosovo leben immer wieder auf.

Damit soll nicht behauptet werden, dass Trump und nur Trump für diese Entwicklungen verantwortlich ist, aber wenn Außen- und Sicherheitspolitik einen Sinn haben soll, muss sie auf langfristige Erfolge angelegt sein und das war sie offensichtlich nicht. Jedenfalls hat die von Trump immer wieder als Mantra wiederholte Formel des "Maximalen Drucks" nicht geholfen, die Basis für einen dauerhaften Frieden in diesen Regionen zu schaffen. Schon gar nicht davon zu reden, dass seine Afrika-Politik, soweit eine solche erkennbar war, von Friedensbestrebungen gekennzeichnet war.

Entscheidend ist aber, dass die Trumpsche Doktrin im Gegensatz zu dem Versuch steht, die Welt durch internationale Zusammenarbeit und internationales Recht friedlicher zu machen. Das waren jedenfalls die Lehren aus Jahrhunderten aus Kriegen und Unterdrückung. Für Trump und seine Gefolgsleute ist das unnatürlich. Und leider ist er nicht der einzige in der Welt, der die multilateralen Institutionen und deren Versuche Konflikte friedlich zu lösen untergräbt.

China im Mittelpunkt der Trump-Asienpolitik

Eine wesentliche Auseinandersetzung für Trump ist die mit China. Dieses Land wird von ihm vorwiegend als wirtschaftliche Herausforderung und Gefahr gesehen. Schon seit Jahrzehnten sieht Trump in hohen Zöllen ein wesentliches Element, um sich gegen, seiner Ansicht nach ungerechtfertigten, Konkurrenz zu wehren. Zölle ist ja sein Lieblingswort, wie er immer wieder betont. Eine große Ungerechtigkeit sieht Trump darüber hinaus – auch das schon seit Jahrzehnten – in der Tatsache, dass die USA anderen Ländern Sicherheit zum "Nulltarif" gewähren. Auch das muss seiner Meinung nach rasch aufhören.

Wenn man diese beiden grundsätzlichen Elemente der US-Außenpolitik unter Donald Trump betrachtet, dann wird er sich darauf konzentrieren, die wirtschaftliche Gefahr Chinas für die USA durch hohe Zölle zu reduzieren – auch wenn dadurch für die USA wichtige Waren teurer werden. Anderseits wird er auch im asiatischen Raum darauf drängen, dass die sich von China bedroht fühlenden Länder mehr für Rüstung ausgeben. Und so nebenbei wird er empfehlen, US-amerikanische Rüstungsgüter zu kaufen. Das betrifft insbesondere auch Taiwan. 

Eine solche Politik verhindert noch keine kriegerischen Auseinandersetzungen im asiatischen Raum. Sie ist aber auch keine, die solche zum Ziel hat beziehungsweise sie begünstigt. Man kann selbstverständlich nie sagen, ob der "maximale Druck" mittels hoher Zölle auf chinesische Produkte einerseits und die Zurückhaltung bei der Übernahme von Sicherheitsgarantien durch die Trump Regierung andererseits China veranlasst, Taiwan anzugreifen. Die Trumpsche Politik kann – muss aber nicht – dazu führen, dass China früher als vorgesehen versucht, eine gewaltsame Wiedervereinigung zu erzwingen.

Das hängt nicht zuletzt auch vom Ausgang der russischen Aggression gegen die Ukraine ab. Möglicherweise wird  die nordkoreanische Beteiligung am russischen Angriffskrieg China dazu bewegen, sich an einer umfassenden Auseinandersetzung mit dem Westen – wie es dem russischen Präsidenten Putin vorschwebt – anzuschließen. Man möchte ja nicht als Schwächling und Zauderer dastehen. China beobachtet jedenfalls genau die Entwicklungen in der Ukraine und zieht seine Schlüsse für das weitere Vorgehen gegenüber Taiwan.

Krieg in der Ukraine in 24 Stunden beenden?

Dass Trump seine Behauptung, er werde den Krieg in der Ukraine in einem Tag beenden, wahr machen würde oder könnte, glaubt wohl niemand. Er könnte tatsächlich zu einem raschen Ende beitragen, falls er in diesem Fall unter "maximalen Druck" die Androhung der verstärkten Lieferung von Waffen verstünde und dies mit einem Angebot zu einem Waffenstillstand als Alternative dazu verknüpfen würde. Angesichts der schwierigen Lage für die Ukraine aber auch für Russland könnte das funktionieren. Aber ohne die Androhung von deutlich verstärkter Militärhilfe für die Ukraine käme ein Waffenstillstandsangebot einer Kapitulation gleich.

Trump wird sicherlich noch stärker als bisher argumentieren, dass die Europäer die Hauptlast der Verteidigung auf europäischen Boden tragen werden müssen. Diesem Argument kann man kaum etwas entgegenhalten. Aber abgesehen davon, dass viele Nato-Staaten die Ausgaben, vor allem seit der russischen Invasion, angehoben haben, ist eine massive Steigerung der Rüstungsproduktion nicht kurzfristig möglich. Trump könnte auch verlangen, dass die Europäer vermehrt amerikanische Rüstungsgüter einkaufen sollten. Auch dem ist kurzfristig schwer etwas entgegenzusetzen, will Europa der Ukraine weiterhin helfen. Allerdings kann es im Widerspruch zu den Bemühungen stehen eine verstärkte Rüstungsindustrie in Europa selbst aufzubauen.

Trump und auch viele außereuropäische Politiker:innen und Expert:innen gehen davon aus, dass die russische Aggression gegen die Ukraine eine europäische Angelegenheit ist. Aber China ist nicht ganz unbeteiligt an der russischen Aggression. Manche chinesische Manöver – man denke an die jüngste Durchtrennung von Ostseekabeln, die vermutlich durch ein chinesisches Schiff erfolgt ist und an die verschiedenen Lieferungen von dual-use Gütern an Russland etc. – deuten zumindest auf eine indirekte Kriegsbeteiligung Chinas hin. Ähnliches gilt für den Iran mit der Lieferung von Drohnen. Nordkorea nimmt inzwischen schon direkt an der russischen Kriegsführung teil.

Ich würde da noch nicht von einem Weltkrieg sprechen, wie es Michael Kimmage und Hanna Note in einem Beitrag in "Foreign Affairs" tun, wenn sie ihn mit dem Titel "How Ukraine became a World War" versehen. Aber es sind schon gefährliche Tendenzen einer Internationalisierung des Krieges sichtbar. Leider gibt es weniger internationale Bemühungen den Krieg zu beenden. Da gibt es mehr interessierte Zuschauer als Länder beziehungsweise Regierungen, die sich aktiv um eine Beendigung dieses Kolonialkrieges bemühen. Aber angesichts der westlichen Unterstützung der Verteidigung der Ukraine muss eine Vermittlung zum Frieden von wo anders herkommen.

Naher Osten – Fortsetzung, Verstärkung oder Ende des Krieges?

Die von Trump und seinen Anhängern bombastisch gelobten Abraham-Abkommen, die zur Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und einigen arabischen Staaten geführt haben, konnten den Ausbruch eines neuen, umfassenden Kriegs im Nahen Osten nicht verhindern. Entscheidend dafür war auch die Nichtteilnahme Saudi-Arabiens an diesem Abkommen. Und noch bevor Präsident Joe Biden es eventuell geschafft hätte die Saudis und Israel zusammen zu bringen, hat die Hamas am 7.Oktober 2023 brutal zugeschlagen.

Die Aufkündigung des Nuklearabkommens mit dem Iran durch Trump hat das Gegenteil dessen bewirkt, was Trump vorausgesagt hatte. Sein maximaler Druck auf den Iran hatte keinen Erfolg. Zwar ist der Iran infolge der israelischen Kriegsführung gegen die Hisbollah – mit massiven Zerstörungen im Libanon – geschwächt, aber keineswegs in die Knie gezwungen.

Es ist offensichtlich, dass die Biden-Regierung trotz Telefonate des Präsidenten mit Benjamin Netanjahu und unzähliger Besuche des US-Außenministers in der Region versagt hat. Und das betrifft auch die Europäische Union, trotz mutiger Schritte einzelner Mitgliedsländer und kritischer Äußerungen des "Außenministers" der Europäischen Union. Die Vernachlässigung der grundsätzlichen Rechte der palästinensischen Bevölkerung, die nicht zuletzt unter Druck der israelischen Regierungen, vor allem der von Netanjahu geführten, erfolgt, legt immer wieder neue Grundsteine für den Gewaltausbruch durch fundamentalistische und radikale Gruppen.

Was wird Trump tun, um an die Abraham-Abkommen anzuschließen beziehungsweise sie zu vervollständigen? Eine Erweiterung dieser Abkommen wird ihm nicht gelingen, wenn er nicht auch politische – und nicht nur wirtschaftliche – Angebote an die Palästinenser macht. Es ist kaum anzunehmen, dass die Königsfamilie Saudi-Arabiens – trotz gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen mit dem Trump-Clan – auf diese Bedingung für die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen mit Israel verzichtet.

Abgesehen davon ist die große Frage, ob Trump Israel grünes Licht und Unterstützung für einen Angriff auf die atomaren Anlagen im Iran geben wird. Man kann davon ausgehen, dass sein Ziel ein besseres und durch verstärkte Kontrollen abgesichertes Abkommen mit dem Iran ist. Aber da müsste er dem Iran schon sehr viel mehr bieten, vor allem die Aufhebung aller Sanktionen. Und Trump müsste eindeutig auf einen Sturz des von ihm und seinen Beratern so gehassten Regimes verzichten.

Weder Kriegstreiber noch Friedensstifter

Aus all den Überlegungen, die sich auf die erste Periode der Präsidentschaft von Donald Trump und den Änderungen von ihm selbst und aus seiner Umgebung ergeben, ergibt sich ein unsicheres Bild. Trump wird jedenfalls weiter daran arbeiten die Reste der noch funktionierenden internationalen Zusammenarbeit im Rahmen der multilateralen Organisationen wie der Uno, der WTO und der WHO etc, zu schwächen. Aber da ist er nicht der einzige. China missachtet die internationalen Erkenntnisse, was seine Ansprüche im umliegenden Meer betrifft und Russland hat den größten Tabubruch durch die Aggression gegenüber der Ukraine begangen. Und erst diese Aggression hat zur Steigerung der Militärausgaben in Europa geführt und nicht die Nato-Erweiterung.

Ohne Sympathie für die politischen Einstellungen eines Donald Trumps zu haben, wäre der Welt, also uns allen, zu wünschen, könnten wir mit Trump zu mehr Frieden kommen als er derzeit in der Welt vorhanden ist. Ein Vorteil ist, dass Trump jenes Sendungsbewusstsein fehlt, dass viele US-Präsidenten in kriegerische Auseinandersetzungen getrieben hat. Das ist die Kehrseite seines Mangels an Moral und seiner rein auf Handel und persönliche Geschäfte ausgerichteten Politik. Zurückbleiben wird allerdings die Unterhöhlung der internationalen Organisationen und Rechtssysteme und die verstärkte Aufrüstung. Und das ist für den Frieden langfristig eine gefährliche Entwicklung. Auch bleiben viele Aufgaben ungelöst – vom Klimaschutz bis zur Bekämpfung der Armut. Aber auch daraus entstehen immer wieder Konflikte und Kriege. Und dafür verantwortlich sind Trump, Putin und Ji Jiping gemeinsam – unterstützt von den auch in Europa wachsenden extrem-nationalistischen Kräften. (Hannes Swoboda, X.12.2024)

Dr. Hannes Swoboda, President of the International Institute for Peace (IP), started his career in urban politics in Vienna and was elected member of the European Parliament in 1996. He was Vice President of the Social Democrat Group until 2012 und then President until 2014. He was particularly engaged in foreign, enlargement, and neighborhood policies. Swoboda is also President of the Vienna Institute for International Economics, the Centre of Architecture, the University for Applied Science - Campus Vienna, and the Sir Peter Ustinov Institute.