Der Sturz des Assad Regimes in Syrien ist für viele Syrier und darüber hinaus eine große Freude. Dennoch mischt sich Unsicherheit und Skepsis in diese Freude. Niemand kann vorhersagen, wie sich der Sturz des syrischen Diktators und die Machtübernahme durch die Islamisten auswirken werden. Statt Frieden kann es auch zu neuerlichen gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen. Der Westen sollte allerdings versuchen seinen Beitrag zu Frieden und Verständigung zu liefern. Was die Einschätzungen der Lage in Syrien betrifft, ist übrigens interessant, dass der Sturz des Regimes zu einem Zeitpunkt kam, als verschiedene europäische Aussenmister - angesichts der „Stabilität“ der Regierung Assad - für die Aufnahme aktiver diplomatischer Beziehungen mit dem Regime in Damaskus plädierten! Es bleibt zu hoffen, das künftige Einschätzungen sorgfältiger vorgenommen und präziser ausfallen werden.
Diktatur gegen radikalen Islam
Zum ersten Mal war ich in Syrien als noch der Vater des jetzt gestürzten Diktators an der Macht war. Beim zweiten Mal, im September 2006 war schon Baschar al-Assad an der Macht. Ich kam als Mitglied einer Delegation aus dem Europäischen Parlament nach Damaskus. Wir wollten vor allem erfahren, ob und unter welchen Bedingungen Syrien ein Assozierungsabkommen mit der EU abschliessen wollte. Beziehungsweise, ob es von Seiten der EU sinnvoll wäre, ein solches Abkommen zu vereinbaren. Damals meinte ich in meinem politischen Tagebuch „Tour d’Europe“, dass wir tief darüber enttäuscht sind, „dass die Demokratisierung und die Menschenrechtsfrage in diesem Land stecken geblieben sind. Es gibt kaum Fortschritte, in manchen Bereichen sogar Rückschritte - auch wenn manche aus den Gefängnissen befreit wurden, nachdem wir uns für sie eingesetzt haben.“
Hauptkritikpunkt unsererseits war also die mangelnde Demokratie und die vielen politischen Gefangenen im Land. Anderseits war Syrien ein Land, das den Angehörigen der verschiedenen Religionen die Ausübung ihres Glaubens garantierte. Und auch der einflussreiche Großmufti von Damaskus war ein durchaus aufgeschlossener und den anderen Religionen offen gegenüber stehender Mann. Ich konnte das in einem ausführlichen Gespräch mit ihm - über Vermittlung des damaligen österreichischen Botschafters - erkennen. Umso mehr war ich verwundert und enttäuscht als er später bedingungslos den Syrischen Diktator unterstützte und sich auch propagandistisch für ihn einsetzte Es war also ein durchaus gemischtes Bild das sich uns im Herbst 2006 bot.
Leider hat sich Baschar al-Assad nicht von der Politik seines Vaters Hafiz al-Assad gelöst. Beide haben sich vor allem vor den islamistischen Kräften gefürchtet. Aber wie schon unter seinem Vater war die Antwort massive Gewalt, unter der die Bevölkerung generell gelitten hat. So hat auch die Angst vor einer islamistischen Machtübernahme zur brutalen Reaktion von Bashir Assad auf die Demonstrationen im Rahmen des „arabischen Frühlings“ geführt. Als autoritärer und letztendlich diktatorischer und korrupter Machthaber hatte er eine demokratische und vom Volk unterstützte Auseinandersetzung mit den islamistischen Gruppen ausgeschlossen.
Eine Allianz der Gewalt
Baschar al-Assad verließ sich auf die offiziellen muslimischen Würdenträger, insbesondere auf den Grossmufti von Damaskus, auf die Anhänger der christlichen Religionen, verschiedene kurdische Gruppen aber vor allem auf den Iran inklusive der Hezbollah und Russland. Aber all das genügte nicht um den Bürgerkrieg zu verhindern. Und es half nicht sein Regime langfristig abzusichern. Eine Zeit lang gelang es ihm die verschiedenen Kräfte - vor allem den Iran und Russland - mit ihren politischen und wirtschaftlichen Interessen gegeneinander auszuspielen. Aber letztendlich konnte ihm diese Schaukelpolitik die Macht nicht sichern.
Syrien ist übrigens wieder ein Beispiel wie das heutige Russland brutale Regime unterstützt. Und das trifft auch auf den Iran und die Hezbollah zu. Leider haben sich auch viele der ehemals toleranten Kräfte im Land selbst zu einer Unterstützung dieses blutigen Regimes hinreißen lassen. Letztendlich kam es zu einer eigenartigen Allianz der Gewalt.
Unter diesen Vorraussetzungen konnte der Westen kaum in die Entwicklung in Syrien eingreifen. Ich erinnere mich noch gut als ich bei einem Besuch in Jordanien einen Vertreter der Aufständischen in Syrien traf. Er plädierte für die Unterstützung der Rebellen mit Waffen und bat mich in den Europäischen Ländern für die Lieferung von Waffen an die - säkularen Kräfte - zu intervenieren. Wäre das ein Weg gewesen, um Syrien in die Demokratie zu bringen? Ich hatte genauso wie viele andere Angst, das letztendlich die islamistischen Kräfte über die weltlich orientierten, demokratischen Gruppierungen siegen werde. Und ich hegte noch immer die Hoffnung, dass es zu einer friedlichen Lösung des inneren Konflikts kommen würde. Aber die Allianz der Gewalt war stärker.
Kluges Verhalten des Westens verlangt
Jetzt jedenfalls sollte der Westen vorsichtig aber mit Geschick auf die neue Situation reagieren. Im Falle, dass die neuen Machthaber bereit sind - wie öffentlich angekündigt - die grundlegenden Menschenrechte, die Glaubensfreiheit etc. zu akzeptieren sollte der Westen der syrischen Bevölkerung helfen, aus einer Situation des Elends und des Hungers herauszukommen. Dabei geht es nicht nur darum, den nach Europa Geflohenen die Rückkehr nach Syrien schmackhaft zu machen. Auch angesichts der Krisen und Kriege in der Region ist ein stabiles Syrien absolut notwendig. Entscheidend allerdings sollte für den Westen, vor allem Europa sein, dass aus einem Gebot der Humanität dieser leidgeprüften Bevölkerung geholfen wird.
Dr. Hannes Swoboda, President of the International Institute for Peace (IP), started his career in urban politics in Vienna and was elected member of the European Parliament in 1996. He was Vice President of the Social Democrat Group until 2012 und then President until 2014. He was particularly engaged in foreign, enlargement, and neighborhood policies. Swoboda is also President of the Vienna Institute for International Economics, the Centre of Architecture, the University for Applied Science - Campus Vienna, and the Sir Peter Ustinov Institute.