Trump in der Tradition amerikanischer Machtpolitik

Veröffentlicht in Der Standard am 25. Februar 2025

Im Gastblogbeitrag schreibt Politikwissenschafter Heinz Gärtner, dass Präsident Trump trotz seiner populistischen Rhetorik und seines abweichenden Stils viele Elemente der traditionellen amerikanischen Außenpolitik übernimmt, insbesondere den Nationalismus, den Isolationismus und den Interventionismus, die auch von früheren Präsidenten geprägt wurden.

Präsident Donald Trump wird weithin als "erratisch, unberechenbar und transaktional" charakterisiert. Hinter diesen Zuschreibungen steckt auch eine analytische Bequemlichkeit. Es gibt eine Reihe von Kategorien, mit denen das Phänomen Trump erfasst werden kann. Und er liegt durchaus im Rahmen der amerikanischen Traditionen von Isolationismus, Interventionismus, Rückzug und Maximalismus.

In der Präsidentschaftsgeschichte gibt es außerdem eine Reihe von Analogien, aus denen man Rückschlüsse auf Trumps Politik ziehen kann. Sein Verhandlungsziel ist das der "relativen Gewinne", bei denen alle Beteiligten absolute Gewinne machen können, allerdings weniger als die USA. Dieses Prinzip unterscheidet sich von dem des Nullsummenspiels, bei dem es nur einen Gewinner und einen Verlierer gibt.

Multilateralismus und internationale Institutionen spielen in Trumps Denken eine untergeordnete Rolle. Amerikanischer Nationalismus und das Prinzip "Amerika zuerst" sind durchaus transformativ und nicht lediglich handlungsorientiert (transaktional). Natürlich erlauben diese Kriterien keine genauen Vorhersagen, aber sie können den Kontext der Handlungen des Präsidenten umschreiben.

Isolationismus und Interventionismus

Isolationismus beschreibt eine Periode von der Verabschiedung der US-Verfassung 1787 bis zum Angriff Japans auf Pearl Harbor 1941. Die USA hielten sich von ausländischen Abenteuern zurück. Es gab zwei große Ausnahmen, den spanisch-amerikanischen Krieg 1898 und den Ersten Weltkrieg. Die USA versuchten aber auch, ihren Hinterhof von ausländischen Einflüssen freizuhalten. 1823 wurde etwa die Monroe-Doktrin verkündet, die im Wesentlichen die Europäer davor warnte, sich in die westliche (amerikanische) Hemisphäre einzumischen.

Die USA haben aber auch eine interventionistische Tradition. Seit der Unabhängigkeit 1776 führten sie etwa 400 offene und verdeckte direkte militärische Operationen durch. Die größte Zahl von etwa 25 Prozent fällt in die Zeit der Unipolarität nach 1990, als die USA die unumstrittene führende Weltmacht waren. In beiden Perioden gab es natürlich Präsidenten sowohl der demokratischen als auch der republikanischen Partei.

Donald Trump signalisierte schon im Wahlkampf, dass er Kriege beenden und sich von fremden Kriegen fernhalten will. Er hat mehrmals betont, dass er amerikanische Soldaten nur zur Verteidigung der USA einsetzen will. Er entsprach damit der Kriegsmüdigkeit in der republikanischen Wählerschaft. Schon andere Präsidenten vor ihm haben mit diesem Wahlversprechen Wahlen gewonnen. Dwight Eisenhower versprach 1953 den verlustreichen Krieg in Korea, Richard Nixon 1968 den Krieg in Vietnam, Barack Obama 2008 den im Irak zu beenden.

Alle diese, wie alle anderen Präsidenten, hatten mehr oder weniger auch eine interventionistische Seite. Eisenhower unterstützte die Putsche in Iran 1953 und in Guatemala 1954, und er intervenierte im Libanon 1958. Nixon eskalierte den Vietnamkrieg, nachdem er Friedensverhandlungen versprochen hatte und dann dennoch mit der Nixon-Doktrin zur Regionalisierung die US-Truppen abgezogen hatte. Obama befürwortete eine Truppenaufstockung in Afghanistan und intervenierte 2011 in Libyen.

Neben der isolationistischen Dimension des Heraushaushaltens folgte Präsident Trump schon in seiner ersten Amtszeit auch der interventionistischen Tradition. Er begann fast zweimal eine militärische Auseinandersetzung mit dem Iran, unterstützte Saudi-Arabien im Krieg im Jemen und etwas widerwillig die Anti-Regime-Milizen in Syrien. Schon zu Beginn seiner zweiten Amtszeit beanspruchte er den Panamakanal und Grönland, womit die amerikanische Hemisphäre bis Europa erweitert werden würde. Um dieses Ziel zu erreichen, drohte er mit wirtschaftlichen und militärischen Sanktionen. Die US-Kontrolle des Gazastreifens ergänzt dieses Bild.

Präsident Trump hat selbst William McKinley als Vorbild gewürdigt. McKinley hat im spanisch-amerikanischen Krieg 1898 Kuba, Puerto Rico und die Philippinen erobert und Schutzzölle verhängt. Beobachter, wie etwa der Präsidentenhistoriker Walter Russel Mead ,haben Trump mit Präsident Andrew Jackson in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verglichen, der eine nationalistische Außenpolitik bei gleichzeitiger Aufrüstung verfolgte. Er ging hart gegen die Native Americans vor.

Verwicklung in Bündnisse

Die Befürchtungen europäischer Nato-Mitglieder, Trump würde die Nato verlassen, sind unbegründet, will er doch seinen Einfluss auf die Organisation bewahren. Er will sich aber ungern in europäische Konflikte hineinziehen lassen. Deshalb sollen die Europäer sich selbst um ihre Konflikte kümmern, ansonsten würden sich die USA zurückziehen. Damit hat schon Präsident Eisenhower gedroht. Er wollte die in Europa stationierten Truppen mit dem Slogan "Bring the boys home" abziehen. Die von Präsident Trump im Februar 2025 angekündigten Verhandlungen mit Russland über die Beendigung des Ukrainekrieges dienen dazu, die Verpflichtungen der USA zu reduzieren, die die Europäer aber aufrechterhalten wollen. Die USA würden nicht zur Verfügung stehen, die von Russland eroberten Gebiete zurückzuerobern.

Es gab seit Präsident George Washington keinen amerikanischen Präsidenten, der nicht vor Verwicklung der USA in Bündnisse warnte ("entangling alliances"). Das schließt selbst Präsident Truman ein, der sonst mit der "Truman-Doktrin" im Kalten Krieg eine maximalistische Haltung einnahm. Er wollte die Beistandsverpflichtungen des Nato-Vertrages in Artikel 5 abschwächen. George Washington selbst kündigte die Beistandsverpflichtungen mit Napoleons Frankreich gleich auf.

Trump sieht sich selbst in der Tradition von maximalistischen Präsidenten. Er spricht wie John F. Kennedy von der "Ausweitung der Grenzen" ("new frontiers"). Nicht mehr der Mond ist das Ziel, sondern er will eine amerikanische Fahne auf dem Mars hissen.

Die maximalistische Position schließt nicht aus, dass Trump verhandeln will. Dabei ist er in der Lage, wirtschaftliche gegen sicherheitspolitische Güter zu tauschen. Kanada und Mexiko konnten Zölle gegen verstärkten Grenzschutz eintauschen. Europäer können mit höheren Verteidigungsausgaben und dem Kauf von amerikanischen Rüstungsgütern höhere Zölle abwenden. Das Prinzip muss sein, dass Trump relativ besser abschneiden muss.

Trump ohne Multilateralismus

Trump ist aus internationalen Abkommen ausgestiegen. Darunter sind das Pariser Klimaabkommen, die Weltgesundheitsorganisation, die Unesco, der UN-Menschenrechtsrat. Er sanktionierte den Internationalen Strafgerichtshof und verließ das Nuklearabkommen mit dem Iran (JCPOA). Aber die USA haben insgesamt eine skeptische Haltung gegenüber multilateralen Organisationen, die sie binden könnten. Präsident Biden ist auch nicht zum Nuklearabkommen mit dem Iran zurückgekehrt, das Schiedsgericht der Welthandelsorganisation blieb blockiert, die Unesco unterfinanziert.

Die USA sind zahlreichen multilateralen Abkommen schon lange vor Trump gar nicht beigetreten. Darunter sind die Seerechtskonvention, die Konventionen über Kinderrechte und die Diskriminierung von Frauen, die Konventionen über Landminen und Streubomben sowie das Abkommen über einen umfassenden nuklearen Teststopp. Vielmehr bereiten sich die USA spätestens seit der Regierung Biden auf eine hegemoniale Auseinandersetzung mit China vor.

Aus all dem ergibt sich, dass Präsident Trump nicht eine derartige Ausnahmeerscheinung in Amerika ist, als die er oft porträtiert wird. Er verinnerlicht viele Elemente amerikanischer Traditionen und Orientierungen früherer amerikanischer Präsidenten. Viele seiner politischen Handlungen sind daher nicht so überraschend wie oft angenommen. Letztlich können sie mit amerikanischem Nationalismus erklärt werden. (Heinz Gärtner, 25.2.2025)


Heinz Gärtner unterrichtet an der Universitäten Wien. Er war Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik. Er leitet den Beirat des International Institute for Peace (IIP). Er hatte mehrere internationale Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren unter anderem an den Universitäten von Stanford, Oxford, an Johns Hopkins in Washington und in Deutschland. Er publizierte zahlreiche Bücher und Artikel zu Fragen der USA, internationaler Sicherheit, Abrüstung und Rüstungskontrolle. Unter anderem ist er Herausgeber des Buches "Engaged Neutrality" (Lexington).