Die heurige Biennale in Venedig hatte sich den provokanten Titel „Fremde Überall“ gewählt und das Fremdsein von vielen Perspektiven aus beleuchtet! Wer ist fremd und wer fühlt sich als fremd? Mit diesen Fragestellungen wurde auch ein zentrales politisches Thema angeschnitten. Haben doch viele Menschen Angst vor „Überfremdung“ und wird diese Angst überdies politisch manipuliert. Dabei sollten wir uns bewusst sein, dass wie es der Kurator der Biennale Adriano Pedrosa formuliert, „die „Anderen“ eine Kategorie aus einer europäischen Perspektive ist.“
Zuviel Fremde?
Seit Jahren wird über die Rolle der Fremden, der Zugewanderten in unseren Gesellschaften diskutiert. Und immer mehr drücken offen ihre Sorge aus, dass zu viele - arme - Ausländer in unsere - reichen - Gesellschaften kommen und unser Sozialsystem ausnützen. Schon konnte man nach Corona glauben, dass dieses Thema in den Hintergrund gerückt ist, aber weit gefehlt. Am Ende ist die Ablehnung strenger Maßnahmen in der Corona Zeit und insbesondere der Impfung noch dazu gekommen, aber der Widerstand gegen Zuviel an Fremden bleibt dominant. So haben die Fremden bzw. deren Ablehnung im EU-Wahlkampf eine große Rolle gespielt und den rechten bzw. rechtsextremen Kräften einen deutlichen Zulauf gebracht. Dabei wird kaum definiert was dieses beklagte „Zuviel“ an Fremden bedeutet.
Gemeinsam mit einigen extrem nationalistisch orientierten Regierungen kann die verstärkte rechts-nationalistische Fraktion im EU-Parlament Europa ein neues und vor allem diffuseres Profil geben. Und auch wenn die Rechtsnationalen in Frankreich nicht die Nummer eins geworden sind, sie haben mit ihrer Anti-Migrationspolitik eine deutliche Stärkung erfahren. Hinzu kommt, dass der extreme Teil der Neuen Linksfront oft ähnlich argumentiert und agiert wie die rechtsextremen Abgeordneten. Und die aus dem linken Lager kommende deutsche Politikerin Sarah Wagenknecht agiert in der „Ausländerfrage“ ähnlich wie die extremen Rechten.
Auch beim Nominierungskongress der Republikaner in den USA spielte die Zuwanderung bzw. die Forderung nach massiver Ausweisung von Fremden, wie sie Trump unter großer Begeisterung der Delegierten aufstellte, eine entscheidende Rolle. Wenn Trump gewählt wird, soll die Nationalgarde große Gruppen der Eingewanderten in Lager zusammenfassen und dann deportieren.
Besonders in Amerika ist die oft hasserfüllte Ablehnung der Fremden Teil einer rückwärtsgewandten, nationalistischen Politik und mit grotesken Verschwörungstheorien verbunden. So zitiert der bekannte Journalist und Autor George Packer im Magazin The Atlantic (7/8 2024) in einem Bericht über Phoenix von einem Gespräch mit einem jungen Mann, der meinte, er müsse mit seinen Freunden „das Land zurückzuholen“ und zwar „von der verbrecherischen Dame in New York, die Donald Trump vor Gericht bringt, von den Polizisten, die Waffen ins Kapitol schmuggelten, vom ungerechten Justizsystem, von der korrupten Biden Familie, den illegalen Migranten und dem tiefen Staat.“ Und ein anderer meinte, „die Eliten laden täglich 12.000 Menschen ein, die offene Grenze am Süden zu überschreiten und auf der anderen Seite kastrieren sie viele Kinder im Namen der Medizin.“ Auch wenn in Europa die Stimmen gegen die Zuwanderung meist nicht so extrem ausfallen, die Richtung ist die gleiche.
Wie kam es zu dieser oftmals aggressiven Politik gegenüber Fremden. Nicht immer hatten Europäer eine Berührungsangst gegenüber den Fremden, vor allem, wenn sie die Stärkeren waren und diese Stärke auch ausspielen konnten. So fühlten sich die meisten Europäer nicht als Fremde als sie ihre kolonialen Aktivitäten entfalteten und als eingedrungene Minderheit viele Länder und Völker unterwarfen und unterdrückten. Und die kulturellen Güter, die sie geraubt haben, haben sie diese als fremde Güter betrachtet oder haben da die Begriffe „fremd“ und „eigen“ nicht gegolten? Es ist schon interessant, dass für die Mehrheit der Europäer das Gefühl des Fremdsein erst begonnen hat als sie die Gefahr sahen, dass ihre Kultur durch Zuwanderung beeinflusst bzw. zerstört werden könnte! Und das nach vielen Jahrzehnten der Zerstörung anderer, fremder Kulturen durch die europäischen Besatzer und oft auch durch verschiedene Forscher- und Archäologen-Teams.
Auch die zerstörerische Wirkung des Tourismus wurde erst wirklich zum Problem, als es die eigenen Lebensräume und nicht die der Fremden betraf! Heute aber gibt es in vielen europäischen Städten Demonstrationen gegen ein Zuviel an Touristen. Nationale bzw. regionale Fremdenverkehrsagenturen haben nicht mehr die Aufgabe noch mehr Fremde anzulocken sondern eher die Touristenströme zu kanalisieren, damit Reibungen mit den Einheimischen tunlichst vermieden werden.
Nun, auch wenn diese geschichtsblinde, widersprüchliche und inkongruente Einstellung der Bevölkerung und der Politik den europäischen Egoismus unter Beweis stellt, so müssen wir uns dennoch überlegen wie wir mit der gewachsenen und sich politisch stärker ausdrückenden Skepsis gegenüber den Fremden umgehen! Es handelt sich dabei nicht immer um eine Fremdenfeindlichkeit in Reinkultur oder um Rassismus! Den gibt es auch, aber das ist nicht das ganze Bild.
Oft ist einfach ein „Zuviel“ an Touristen oder an MigrantInnen, die den Leuten „auf die Nerven geht“! Dabei wird übersehen, dass viele Regionen Europas und gerade auch Österreichs auch vom Tourismus leben bzw. viele wichtige Wirtschaftszweige bzw. Sozial- und Gesundheitsdienste von der Anwesenheit und der Arbeit der „Fremden“ abhängen! Sicher ist es notwendig diese Zusammenhänge stärker ins Bewusstsein zu bringen! Allzu oft verzichtet die Politik die Dinge klar beim Namen zu nennen. Wer würde denn unser Gesundheits- und Sozialsystem am Laufen halten, wenn wir nicht Fremde in unsere Länder gelassen bzw. sogar gerufen hätten. Und in der Gastronomie, dem Bausektor und in vielen anderen Wirtschaftssektoren ist es ähnlich. Aber wir brauchen eine umfassende Strategie, um den Herausforderungen zu begegnen und die zwischen Fremden und Einheimischen Brücken schlagen.
Kunst als Kritik und Hoffnungsträger
Zurück zur Kunstbiennale in Venedig. In vielen Präsentationen der Biennale wurden die Zusammenhänge zwischen dem westlichen Wohlstand und der Ausbeutung der Natur und der Arbeitskräfte im und vom Süden deutlich gemacht. Aber kaum wurde daraus eine blinde Anklage. Vielfach war die Kritik von einer eher optimistischen Einstellung und von einem Ausblick auf eine bessere Zukunft begleitet. So spricht der Ausstellungstext der Präsentation von Nigeria davon, dass es darum geht die „Wege auszukundschaften, die nicht gegangen wurden und um neu Wege zu entdecken. Es geht um eine unermüdliche Untersuchung der Vergangenheit, um Momente des Optimismus und auch um das Nigeria das in unseren Gedanken lebt: ein Nigeria, das sein könnte und das es noch nicht gibt.“
Es geht also nicht darum, den heutigen Generationen Europas ein schlechtes Gewissen hinsichtlich der Verbrechen der Vergangenheit zu machen. Nicht Selbst-Geißelung ist angesagt. Aber die Untaten der Vergangenheit sollten auch nicht unerwähnt bleiben und vergessen werden. Eine Kenntnis der Geschichte korrigiert auch manche Vorurteile und Überheblichkeiten. Darüber hinaus sind auch die heutigen Verhältnisse nicht frei von groben Ungerechtigkeiten und Verletzung von Menschenrechten. Zuletzt wurde gerade auch in Italien ein Fall bekannt wo ein Gutsherr einen seiner schwer verletzten Landarbeiter einfach liegen und verbluten ließ.
Die massive Abwehr der Fremden ist Teil einer rückwärtsgewandten Einstellung, die in der Wiederherstellung der guten alten Zeit das Heil sieht. Da war man noch „unter sich“. Der bulgarische Schriftsteller Georgi Gospodinov meinte dazu in einem Beitrag in Die Zeit: „Wenn die Zukunft unsicher und düster ist, und die Gegenwart ist beunruhigend und entgleitet einem, dann bleibt nur die Zuflucht der Vergangenheit.“
Für viele Menschen ist die schlecht-bzw. unkontrollierte Zuwanderung „beunruhigend“ bzw. sie erweckt den Eindruck von „entgleitenden“ Verhältnissen. Es sind die nationalistischen und autoritären Kräfte, die dann diese Gefühle aufrufen und verstärken. In vielen Fällen versucht auch die Kunst ein Gegengewicht schaffen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass alle autoritären Regime schnell versuchen die Freiheit der Kunst zu begrenzen und schließlich aufzuheben, denn nichts ist gefährlicher für eine nationalistische und rechtsextreme Politik als die Ungebundenheit und die Unerschrockenheit der KünstlerInnen.
Kunst kann jedenfalls verkrustete und menschenfeindliche Verhältnisse in Frage stellen. So meinte die Festrednerin bei der Eröffnung der diesjährigen Salzburger Festspiele, Nina Chruschtschowa: „Kunst ist voller Hoffnung. Sie ist sogar optimistisch. Kunst rettet die Welt jeden Tag, in jedem Jahrhundert und in jeder Generation……Kunst ist rebellisch. Kunst kann Tyrannei und Krieg nicht verhindern, entlarvt sie aber immer wieder aufs Neue.“ Und der deutsche Maler Gerhard Richter meinte einmal: „Kunst ist die höchste Form der Hoffnung:“
Bildung als zentraler Ansatz
Aber die Kunst, die diese kritischen Punkte auch ohne moralischen Zeigefinger und mit Hinweisen auf eine hoffnungsvolle Zukunft aufgreifen kann, erreicht leider nur einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung! Die Bildungspolitik, die grundsätzlich alle Menschen erreicht, hat daher eine besonders große Verantwortung. Dabei geht es um ein Verständnis der Einheimischen für die Lage der Fremden aber auch um die Integration der Fremden in die Gesellschaft der Einheimischen. Integration ist eine beiderseitige Aufgabe, sie verlangt nicht totale Assimilation. Aber - ob gerecht oder nicht - die Einheimischen verlangen von den Fremden mehr Respekt für ihren Lebensstil als umgekehrt.
So argumentierte Michael Völker in Der Standard (26.7.2024) im Zusammenhang mit einigen gewaltsamen Zusammenstößen zwischen verschieden fremden Jugendlichen und der von der Regierung in Auftrag gegebenen Erarbeitung eines Katalogs der Leitkultur: „Das beste Mittel gegen ein Abgleiten ins gesellschaftliche Abseits, in die Isolation oder die Kriminalität ist eine positive Perspektive. Diese hängt praktisch immer mit Bildung, der Ausbildung und den Jobmöglichkeiten zusammen. Der Schüssel dafür liegt in den Schulen. Und zum Teil auch in den Kindergärten.“ Aber wie gesagt, Bildung und Erziehung muss auch bewusst und gezielt alle ansprechen, soll ein friedliches Zusammenleben erreicht werden.
Nicht zuletzt der Geschichtsunterricht sollte auf die Wurzeln unseres Wohlstands verweisen und die kolonialen Verstrickungen ausleuchten! Auch dabei geht es nicht um Anklagen gegen unsere Vorfahren, sondern um die Analyse der vergangenen und gegenwärtigen Verhältnisse! Es wäre zum Beispiel sinnvoll drauf zu verweisen wie die Produkte, die wir von fremden Ländern beziehen, gewonnen bzw. erzeugt werden. Aber selbst bei uns selbst werden Produkte unter oft unmenschlichen Verhältnissen gewonnen bzw. erzeugt - von Einheimischen und Fremden. Daneben sollte aber Politik und Bildung auf die Fortschritte in Richtung einer demokratischen und die Menschenrechte achtenden Gesellschaft verweisen.
Soziale oder nationalistische Solidarität
Leider ist es den rechten Gruppen gelungen die Solidarität der schlecht und unwürdig behandelten Menschen durch eine Solidarität derjenigen zu ersetzten, die sich primär zu ihrer nationalen Verbundenheit bekennen. Als wesentlicher Unterschied wurde in der Folge der zwischen Inländer/Einheimischen einerseits und Ausländer/Fremden anderseits definiert und nicht mehr der zwischen wirtschaftlich und sozial besser Gestellten und den wirtschaftlich und sozial Benachteiligten.
Die Unterstreichung dieser Unterscheidung, wobei Zwischentöne weggelassen werden - es gilt bei der Definition der Fremden oft nicht die Staatsbürgerschaft, sondern die Geburt bzw. die Herkunft der Vorfahren - führt zu einer sehr selektiven Sichtweise und Wahrnehmung. Es ist nur zu verständlich, dass Menschen die sich generell in einer differenzierten, multinational und multiethnisch gestalteten Welt schlechter zurechtfinden, besonders von Argumenten gegen die Fremden zu beeindrucken sind.
Wer weniger Sprachen spricht, wer weniger reist bzw. auch in der Ferne primär Vertrautes sucht, dem ist die eigene Heimat mit einer zunehmenden Zahl von Fremden nicht mehr vertraut. Sozialmissbrauch unter Fremden und gesellschaftlich verpöntes Verhalten von Fremden fällt besonders stark auf. Und schon Hinweise auf ähnliche Fälle unter Einheimischen werden als Verniedlichung abgetan. Und manchmal sind auch in der Politik und von der Wissenschaft beschwichtigende Argumente gefallen, um nicht mit den „Wölfen zu heulen“. Entscheidend ist aber eine objektiv nachvollziehbare und ethnisch-neutrale Haltung einzunehmen, die Gleiches mit Gleichem behandelt.
Und selbstverständlich müssen wir gegen jede terroristische Gefahr gewappnet sein. Wie wir in jüngster Zeit gesehen haben geht sie oft auch von Menschen aus, die österreichische Eltern haben und/oder in Österreich geboren wurden, die aber durch die soziale Medien von Hasspredigern ideologisiert und zu Terrorakten verführt werden. Da ist größte Wachsamkeit und internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden angesagt. Diese Gefahren sind allerdings weder durch „Reimigration“ noch durch einen Einwanderungsstopp zu verhindern.
Weniger Fremde als Lösung?
Weder menschlich noch wirtschaftlich kann den Problemen, die viele durch die Anwesenheit von Fremden verspüren, durch einen Einwanderungsstopp oder gar durch eine Politik der erzwungenen Rückwanderung geholfen werden. Einerseits haben wir Fremde, denen wir aus humanitären Gründen Asyl bzw. vorübergehenden Aufenthalt gewähren sollten bzw. nach internationaler Vereinbarung gewähren müssen. Eine deutliche Reduzierung solcher Rechte gegenüber Fremden würde einen Schritt in Richtung Enthumanisierung unserer Gesellschaften mit sich bringen. Anderseits sind viele Wirtschaftssektoren und Sozialdienste von fremden Arbeitskräften abhängig. Wir würden uns durch eine radikale Verringerung von Fremden in unseren europäischen Ländern ins eigene Fleisch schneiden.
Die zu bewältigenden Herausforderungen liegen im Detail. Die Frage die sich aus gegebenem Anlass stellt ist, ob es sinnvoll ist, den Familiennachzug zu beschränken, der gerade auch in Österreich einige Probleme in den Schulen bzw. in der Versorgung mit Wohnraum schafft. So argumentierte kürzlich der fortschrittlich liberale und mit österreichischen Wurzeln versehene Ökonom Martin Wolf in der Financial Times unter dem den Widerspruch anzeigenden Titel „Zuwanderung ist sowohl entscheidend als auch unmöglich“: „Die Option zeitlich begrenzter Arbeitsverträge wird von beiden Seiten nicht gewünscht ist aber vielleicht die Lösung“.
Angesichts einerseits der Notwendigkeit Arbeitskräfte ins Land zu holen und anderseits der Ablehnung an einem „Übermaß“ an Zuwanderung, sollte das ursprünglich geplante Modell der Gastarbeiter - aber nun aus allen Regionen der Welt - wiederbelebt werden. Allerdings ist das nicht gerade ein Modell, das die Integration fördert, es soll ja gar nicht das Ziel sein. Und es löst als solches auch nicht das Problem der irregulären Zuwanderung und der anerkannten Flüchtlinge und deren Integration.
Europa zuerst?
Antworten auf die Frage „Wie umgehen mit den Fremden?“ beinhalten auch eine wichtige geo-politische Komponente. Auch wenn sich manche wünschen die Globalisierung zurückzufahren und wenn es auch sinnvoll ist, mehr an wichtigen Gütern in Europa selbst zu erzeugen, ist es eine Illusion sich Europa als selbstversorgende Einheit zu denken. Gerade auch die klimapolitisch erwünschte, ja notwendige Transformation benötigt viele Rohstoffe, die wir in Europa nicht im ausreichenden Maße haben. Hinzu kommt allerdings auch die Ablehnung der Gewinnung solcher Rohstoffe aus europäischem Boden durch die jeweilige Bevölkerung in der unmittelbaren Nachbarschaft. Das betrifft vor allem die für die Energiewende notwendigen Grundstoffe. Die Welt außerhalb Europas, gerade auch im sogenannte globalen Süden, darf nicht vernachlässigt werden, wollen wir selbst eine aktive Klimapolitik betreiben und wollen wir auch den „Rest der Welt“ zu einer solchen bewegen.
Es gibt zu viele globale Herausforderungen mit Auswirkungen auf Europa, als dass wir mit einer Strategie „Europa zuerst“ die Interessen der europäischen Bevölkerung vertreten könnten. Ob es sich um die schon erwähnte Klimapolitik handelt oder die Eindämmung von kriegerischen Konflikten - auch auf europäischen Boden -, um die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten etc. immer braucht es einer globalen Zusammenarbeit. Und die ist sicher leichter zu erzielen, wenn wir uns als Europäer zu unserer Verantwortung gegenüber den armen Teilen der Bevölkerung bekennen. Wir brauchen den Goodwill und die Bereitschaft der Fremden mit uns, um die genannten Herausforderungen zu bewältigen. Noch dazu, wenn wir an vielen dieser Herausforderungen als Europäer eine größere Verantwortung tragen als die „Fremden“.
Eine solche Zusammenarbeit zu beiderseitigem Nutzen muss auch die Wanderungsbewegungen betreffen. Es sollte doch in niemandem Interesse sein, so viele Menschen auf afrikanischem Boden und im Mittelmeer sterben zu sehen. Wir brauchen eine verstärkte Zusammenarbeit, vor allem zwischen den afrikanischen Staaten und Europa, um dieses Massensterben zu verhindern. Und dazu gehört auch eine Wirtschafts- und Klimapolitik, die die Entwicklung der europäischen Partnerländer unterstützt.
Auch wenn es richtig ist, dass es immer wieder Störmanöver gegen eine solche Kooperation durch lokale Militärs und russische Kräfte gibt - siehe die jüngsten Entwicklungen in Westafrika - Europa sollte beharrlich eine vorwärts gerichtete Afrikapolitik betreiben. Dazu gehören auch menschenrechtskonforme Asylverfahren außerhalb Europas und ein ebenso die Menschenrechte beachtender verstärkter Grenzschutz. Europa hat so wie jedes Land das Recht, seine Grenzen zu kontrollieren, sollte sich aber an humanitäre Grundsätze halten. Auch Fremde habe ein Recht auf humane und gastfreundliche Behandlung unabhängig davon, ob sie ein Recht auf Asyl oder dauerhaften Schutz haben.
Ohne Fremde und ohne gute Beziehungen zu ihnen, ob sie nun in unserer Heimat oder in der Fremde leben, werden wir unsere Probleme nicht lösen und unsere Ansprüche nicht erfüllen können. Das gilt sicher auch umgekehrt für die Beziehungen der Fremden zu uns. In dem Sinn geht es gar nicht so sehr den Fremden zu helfen, sondern die Fremden einzuladen uns zu helfen. Das bedeutet aber auch, dass Europa versuchen sollte, eine kontrollierte und das Bevölkerungsgleichgewicht respektierende Zuwanderung zu organisieren.
Enden möchte ich mit einem Zitat des links-liberalen Politikwissenschaftler Ivan Krastev, der kürzlich in einem Interview mit „Die Zeit“ meinte: „Nicht jede Abwehr von Migration ist rassistisch. Es wird jetzt darauf ankommen, wer die richtige Sprache für all das findet. Die Leute haben das Gefühl, wir würden alle heimatlos. Denn Heimat ist der Ort, wo du die anderen verstehst und wo sie dich verstehen. Wo dir die Wörter nicht um die Ohren fliegen, weil jeder weiß, wie sie gemeint sind. Die größte politische Aufgabe ist es jetzt, den Leuten wieder ein Gefühl von Heimat zu geben.“
Das gilt für den Tourismus wie für die dauerhafte Zuwanderung. Heimat schafft man aber nicht durch Abschottung sondern durch Integration der - möglichst regulierten - Zuwanderung und dem Bewusstsein, dass sich auch Heimat verändert. Und, dass Heimat heute mehr denn je als Teil einer global vernetzten Welt zu verstehen ist. Dazu gehört auch eine Bildungspolitik die es ermöglicht die globalen Entwicklungen und Herausforderungen zu verstehen. Dann wird man auch die Veränderungen in der eigenen Heimat besser verstehen.
Dr. Hannes Swoboda, President of the International Institute for Peace (IP), started his career in urban politics in Vienna and was elected member of the European Parliament in 1996. He was Vice President of the Social Democrat Group until 2012 und then President until 2014. He was particularly engaged in foreign, enlargement, and neighborhood policies. Swoboda is also President of the Vienna Institute for International Economics, the Centre of Architecture, the University for Applied Science - Campus Vienna, and the Sir Peter Ustinov Institute.