Erschienen im DerStandard, am 19.03.2023
Ein neutrales Österreich ist weniger in Gefahr, Angriffsziel eines Aggressors zu werden, sagt Ex-Bundespräsident Heinz Fischer. Mit einem Nachbarn wie Putin wird die Neutralität allein Österreich nicht schützen, kontert Neos-Politikerin Claudia Gamon. Ein Streitgespräch
Ist es realistisch, dass Österreich zum russischen Angriffsziel wird – obwohl sämtliche unsere Nachbarländer im Osten der Nato angehören? Neos-Politikerin Claudia Gamon hat darauf eine klare Antwort: "Die Frage wurde in Europa so ähnlich vor 14 Monaten diskutiert, und viele haben nicht daran geglaubt, dass die Ukraine überfallen wird. Dann ist es doch passiert. Es bringt nichts, die Gefahren kleinzureden, die da sind, wenn man in Nachbarschaft eines verrückten und faschistischen Diktators wie Putin lebt."
Gamon war Gast im Videotalk "STANDARD mitreden". Diesmal drehte sich in der Runde alles um die Frage, ob Österreichs Neutralität noch einen Wert hat und uns mehr Sicherheit bringt – oder im Gegenteil, wir ohne Bündnis nur allein dastehen.
Österreich als Trittbrettfahrer?
Gamons Position war klar: Österreich sei ein "verteidigungspolitischer Trittbrettfahrer", der auf Nato-Nachbarn setzte, um Gefahren abzuwehren.
Ex-Bundespräsident Heinz Fischer widersprach vehement: "Ein neutraler Staat wie Österreich ist in geringerem Maß ein Angriffsziel für Aggressoren als ein Nato Staat." Die Bedrohungslage sei mit einem Land der Ex-Sowjetunion wie der Ukraine nicht vergleichbar.
Der Sicherheitsexperte Heinz Gärtner von der Uni Wien pflichtete bei: Die Neutralität sei nicht überkommen und biete "an sich eine sehr gute Sicherheitsgarantie". Abgesehen von den Weltkriegen würde die Neutralität fremder Staaten auch nur selten verletzt werden. Welche Belege dafür Gärtner anführt? Die Antworten gibt es im Video.
Streit über Waffenlieferungen
Sehen Sie außerdem im Talk: Während Gamon dafür plädiert, dass auch Österreich Waffen an die Ukraine liefern und ukrainische Soldaten an Panzern ausbilden sollte, lehnt das Fischer ab. Wie die beiden argumentieren, erfahren Sie im Video. Dort kritisiert der ehemalige Bundesheer-Brigadier Walter Feichtinger, dass in Österreich so getan werde, "als ginge uns die veränderte Sicherheitslage in Europa gar nichts an".
Feichtinger sieht drei Optionen für Österreich Zukunft: Nato-Beitritt mit atomarem Schutzschild, Bündnisfreiheit oder weiter wie bisher. Warum ihm Fischer vorwirft, Österreich in die Nato führen zu wollen, ohne dies zu bekennen, und wie Feichtinger dagegenhält: Die hitzige Debatte gibt's im Video. Moderation: András Szigetvari. (Video: Anna Caroline Kainz, 19.3.2023)