Die Welt befindet sich in einer Großmächtekonkurrenz zwischen den USA, China und Russland. Großmächte versuchen, ihre Einflusszonen zu behalten oder gar auszuweiten, und sie reagieren nervös, wenn sich eine andere Großmacht ihren Grenzen nähert. Die Welt steht vor einer neuen Polarität. Die Polarisierung hat zwei Charakteristika: Ideologie und Bündnisbildung.
Heinz Gärtner unterrichtet an der Universität Wien. Er war Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik, leitet den Beirat des International Institute for Peace (IIP), sitzt auch dem Strategie- und Sicherheitspolitischen Beirat des Österreichischen Bundesheeres vor und hatte mehrere internationale Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren, zum Beispiel an den Universitäten von Stanford, Oxford, an Johns Hopkins in Washington und in Deutschland. Er publizierte zahlreiche Bücher und Artikel zu Fragen der USA, internationaler Sicherheit, Abrüstung und Rüstungskontrolle. - © IIP
Im Kalten Krieg gab es die ideologische Konfrontation zwischen liberaler Marktwirtschaft und Staatskommunismus. Die Idee der "Allianz von Demokratien gegen Autokratien" von US-Präsident Joe Biden ist ein Beispiel für die gegenwärtige ideologische Polarisierung. Wie alle Ideologien ist sie unehrlich, haben die USA doch mit autokratisch regierten Staaten strategische Beziehungen, wenn es um geopolitische Interessen geht.
Chinas Seidenstraßen-Initiative hat eine Soft-Power-Kapazität, die über wirtschaftliche Interessen hinausgeht und die Lebensqualität verbessern kann. Russland dagegen hat keine attraktive Ideologie anzubieten. Der Kampf gegen Nazismus, die Russifizierung oder historische Reminiszenzen an Zar Peter den Großen haben kaum Anziehungskraft und dienen der russischen Propaganda.
Neben der Nato werden auch neue Bündnisse gegründet: Aukus (Australien, Großritannien und USA) und die asiatische Quad (USA, Indien, Japan, Australien) richten sich gegen die angenommene chinesische Bedrohung. China unterhält keine Bündnisse, baut aber ein "globales Netzwerk von Partnern" auf, wobei die Seidenstraßen-Initiative ein wichtiges Instrument ist. Hierbei handelt es sich um eine Vielzahl bilateraler Beziehungen. Diese sind keine Zwangsbeziehungen, Abhängigkeiten können aber entstehen. China dominiert auch die Shanghai-Kooperation-Organisation, die aber noch keinen Bündnischarakter hat. Russland wiederum hat außer der ineffektiven Kollektiven Sicherheitsorganisation ehemaliger Sowjetrepubliken keine funktionierenden Bündnisse, dafür aber Verbündete im globalen Süden. Jedoch sieht es seine Großmachtposition im Westen durch die Nato-Erweiterung und im Osten durch Chinas Einfluss gefährdet. Deshalb glaubte Russland, es könne mit dem Krieg gegen die Ukraine wenigstens seinen Einfluss im Westen wahren. Das Gegenteil trat jedoch ein. Die Nato unter der Führung der USA ist näher an Russland herangerückt. Präsident Wladimir Putin hat die Großmachtkonkurrenz durch die Invasion in der Ukraine verloren. Russland hat weder verlässliche Bündnispartner noch eine attraktive Ideologie. Also bleiben die Nuklearwaffen als einzige globale gefährliche Machtprojektion.
Wie Präsident Xi Jinping beim Nationalen Volkskongress deutlich machte, wird China seine regionale Einflusszone bewahren wollen, wobei Taiwan keineswegs der wichtigste geopolitische Faktor für China ist. Das Ergebnis wird eine globale Bipolarität wie im historischen Ost-West-Konflikt sein, nun zwischen den USA und China. Kooperationsmechanismen müssen wieder dort beginnen, wo die Welt nach der Kuba-Krise 1962 war. Es ist ein Symbol der Schwäche der EU in der globalen Konkurrenz, dass es der Rivale China war, der die Normalisierung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien vermittelt hat.