Die Erfahrungen mit Zivilen Friedensdiensten in Österreich sind sehr gut, aber liegen schon eine Weile zurück. Von 1993 bis 2004 waren rund 120 Freiwillige – meist Auslands-Zivildiener – im ehemaligen Jugoslawien aktiv. Eine stetige Begleiterin war die Frage: wie kann dieses Engagement für Gewaltminderung und Friedensförderung langfristig institutionalisiert und finanziert werden? Die jüngste Kampagne trägt nun Früchte.
Ich bin Friedensdiener*in
Im Zuge der vorgezogenen Neuwahl 2019 wurde vom Österreichischen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes unter dem Motto Ich bin Friedensdiener*in für einen Gesetzesvorschlag für ein Friedensdienstgesetz geworben.[1] Nationalratsabgeordnete und Kandidat*innen von SPÖ, NEOS, Grünen, KPÖ und Wandel unterstützten öffentlich die Entwicklung und Durchführung eines ZFD. Die Grünen nahmen den Vorschlag auch in ihr Wahlprogramm auf. Wichtige Stimmen aus Wissenschaft, Kultur, Religion und Friedensaktivismus sprachen sich für dieses Außenpolitik-Instrument aus. Der Friedensdienst wurde in den Regierungsverhandlungen debattiert und folgende Passage fand Aufnahme im Kapitel „Außenpolitik“ des Regierungsprogramms aus Volkspartei und Grünen:
Prüfung der Etablierung einer Mediationsfazilität im BMEIA (Anmerkung: Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten) und der Einrichtung eines österreichischen zivilen Friedensdienstes im Rahmen der Aktivitäten des BMEIA, jeweils unter Beiziehung der bestehenden Strukturen und entsprechender Ressourcenausstattung.
Österreichische Variante
Um das Konzept des Zivilen Friedensdienstes im Regierungsprogramm zu verorten, sind wohl die ebenfalls im Programm befindlichen Stichworte Menschenrechtspolitik, verlässlicher Partner, zivile Krisenprävention oder Neutralitätspolitik am tauglichsten. Friedensdienste sollen durch die Entsendung gut ausgebildeter ziviler Fachkräfte einen Beitrag Österreichs zur Friedensförderung leisten. Nichtstaatliche Organisationen bilden ein unabhängiges Koordinationskomitee und tragen Sorge, dass genau festzulegende Standards für den Einsatz in Krisen- und Konfliktgebieten garantiert werden. Kein Besserwissertum made in Austria, sondern die Umsetzung gemeinsam auf Augenhöhe mit lokalen Partnerorganisationen. Alles – wie das Regierungsprogramm sagt – vorbehaltlich einer Prüfung und mit einem verfügbaren Budgettopf.
Der ZFD ist ein Instrument einer aktiven Friedenspolitik, das vielfältige Methoden der zivilen Konfliktbearbeitung zum Einsatz bringt, die konkret dazu beitragen, Gewalt zu verhindern, Konflikte konstruktiv und friedlich zu transformieren, Menschen vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen zu schützen und nachhaltig Frieden und Versöhnung herbeizuführen. Zahlreiche diesbezügliche Strategiedokumente Österreichs unterstreichen die unverzichtbare Bedeutung der Zivilgesellschaft. Mit dem Zivilen Friedensdienst sollen NGOs und Staat in einem Gemeinschaftswerk aktiv werden können. Angesiedelt im Außenministerium, von diesem finanziert und auch streng evaluiert.
Es geht nicht um den Einsatz von Freiwilligen mit Taschengeld, sondern um professionell ausgebildete Friedensfachkräfte in der Konfliktarbeit. Ähnlich einem Entwicklungshilfeeinsatz entsteht ein Berufsbild. Aber der Friedensdienst ist keine Feuerwehr. Es soll an den Ursachen, Verläufen und Folgen gewaltsam ausgetragener Konflikte gearbeitet werden – mit zivilen, mit gewaltfreien Mitteln.[2]
Große Schwester
Die Kampagne zur Einführung eines Zivilen Friedensdienstes in Österreich hatte einen großen Joker. Auf die kritische Frage nach der konkreten Umsetzbarkeit dieser Vision wurde auf die große Schwester verwiesen: in Deutschland arbeitet der ZFD bereits seit 1999. In den letzten gut 20 Jahren wurden rund 1500 Friedensfachkräfte in über 60 Ländern eingesetzt. Aktuell sind etwa 350 Friedensdienende in 45 Ländern aktiv. Das deutsche Budget beträgt 55 Millionen Euro jährlich – mit steigender Tendenz über die letzten Jahre.[3] Der Erfolg gibt dem Programm Recht und hat auch Kritiker*innen des ZFD in Österreich zum Nachdenken gebracht.
Das Konzept des ZFD ist in Österreich ein Pionierprojekt. Die nächsten Schritte sind weitere zivilgesellschaftliche Beratungen und parallele Abstimmungsprozesse mit dem Außenministerium. Internationale Unterstützung aus der Praxis ist überaus hilfreich, damit der nötige Budgettopf für die Umsetzung in dieser Legislaturperiode auch bereitgestellt wird. Mit unserer großen Schwester an der Hand fällt das gleich leichter.
Thomas Roithner ist Friedensforscher und Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Er arbeitet gemeinsam mit Pete Hämmerle im Rahmen des Internationalen Versöhnungsbundes (Österreichischer Zweig) als Co-Kampagnenleiter für #ZivilerFriedensdienstÖsterreich. www.thomasroithner.at
Bild:
Demonstrantin verteilt Rosen an Soldaten. Friedliche Proteste in Myitkyina Kachin State, April 2018.
Der Zivile Friedensdienst Deutschland engagiert sich in Myanmar mit sechs Friedensfachkräften von zwei Trägern. Die Szene zeigt ein Projekt des Weltfriedensdienstes e.V. © und Bildnachweis: L. Nagel, Weltfriedensdienst e.V.
[1] Zur Kampagne von IFOR Austria und Thomas Roithner vgl. http://www.versoehnungsbund.at/zfd/ sowie http://thomasroithner.at/cms/index.php/zfd
[2] Thomas Roithner, Pete Hämmerle: Friedensdienst als neues Instrument der Außenpolitik. Im türkis-grünen Regierungsprogramm findet sich auch ein Pionierprojekt, Gastkommentar, in: Die Presse, 10.1.2020, Wien, Seite 27.
[3] Ziviler Friedensdienst Deutschland: Zahlen und Fakten, https://www.ziviler-friedensdienst.org/de/zahlen-fakten, (angewählt am 24.3.2020).