Heinz Gärtner
Vom 12-13 Dezember fand in Brüssel die jährliche EU-Konferenz über Nicht-Verbreitung und Abrüstung von Nuklearwaffen statt. In diesem Rahmen fand auch ein Treffen des Netzwerkes von unabhängigen Think-Tanks statt, an dem Angela Kane und Heinz Gärtner für das International Institute for Peace (IIP) und das Österreichische Institut für Internationale Politik (oiip) teilnahmen.
Im Zentrum der Diskussion standen der Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen, der 2017 von 122 Staaten in den Vereinten Nationen angenommen wurde, und sein Verhältnis zum Atomwaffenwaffensperrvertrag (NPT), das Wiener Nuklearabkommen mit dem Iran (JCPOA) sowie die Nuklearwaffen- und Raketentests Nordkoreas (DPRK).
Der Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen
Auch diese Konferenz spiegelte die gegensätzlichen Positionen zum Verbotsvertrag wider. Kein Nuklearwaffenstaat und kein NATO-Mitgliedsstaat unterstützen den Vertrag. Die stellvertretende Generalsekretärin der NATO Rose Gottemoeller (USA) sah im Verbotsvertrag eine Schwächung des NPT, während deren Befürworter beklagten, dass die Nuklearwaffenstaaten die Abrüstungsverpflichtungen des NPT nicht erfüllten. Der Vertrag verweist in der Präambel hingegen darauf, dass er eine Ergänzung zum NPT ist. Die hohe Repräsentantin für Außenpolitik der EU Federica Mogherini erwähnte den Verbotsvertrag in ihrer Botschaft nicht, sind doch die meisten NATO-Staaten auch EU-Mitglieder. Russlands wissenschaftliche Vertreter forderten hingegen „etwas Bewegung“ vonseiten der Nuklearwaffenstaaten. Chinas Vertreter warnt vor einem neuen Rüstungswettlauf, ohne den Verbotsvertrag anzusprechen. Dennoch schien der Atomwaffensperrvertrag der einzig gemeinsame Nenner zu sein.
Gottemoeller warf Russland außerdem vor, das Abkommen über Mittelstreckenraketen (INF) von 1987 verletzten, was Russlands Teilnehmer verneinten. Sie waren sich aber einig, die Gespräche darüber nicht nur auf Europa zu beschränken sondern zu universalisieren. Gerade Russland fühlt sich von Mittelstreckenraketen außerhalb Europas bedroht.
Eine Vertreterin eines anderen Nuklearwaffenstaates (Pakistan) sagte, dass Pakistan und Indien nur als Nuklearwaffenstaaten dem Verbotsvertrag beitreten würden, beklagte aber gleichzeitig, dass die Nuklearwaffenstaaten ihre Abrüstungsverpflichtungen des NPT nicht erfüllten. Pakistan und Indien würden einer Abrüstung der Nuklearwaffenstaaten folgen, wenn sie tatsächlich erfolgte. Pakistan und Indien sehen sich von diesen Verpflichtungen nicht angesprochen, weil sie dem NPT nicht beigetreten sind.
Ein Kompromiss zwischen Nuklearwaffenstaaten, die den Vertrag ablehnen, und den Nicht-Nuklearwaffenstaaten, die den Vertrag unterstützen, könnten rechtlich bindende negative Sicherheitsgarantien (NSA) sein. Mit diesen würden sich die Nuklearwaffenstaaten verpflichten, Nicht-Nuklearwaffenstaaten nicht mit Nuklearwaffen zu bedrohen oder diese gegen sie einzusetzen. Das würde von Nuklearwaffenstaaten nicht viel verlangen, sind NSA doch weniger weitreichend als ein Ersteinsatzverzicht von Nuklearwaffen, da letzterer andere Nuklearwaffenstaaten miteinschließen würde.
JCPOA
Federica Mogherini betonte einmal mehr die Verpflichtung der EU, das Iranabkommens mit dem Iran einzuhalten. Rose Gottemoeller sagte zwar, im Gegensatz zu der gegenwärtigen US-Regierung, dass das JCPOA erhalten werden müsse, sagte aber gleichzeitig, dass Irans Verhalten in der Region stärker besprochen werden müsse. Dieses Vorgehen ist, wie ein Teil der US-Administration glaubt, auch eine Möglichkeit, das JCPOA zu Fall zu bringen.
Von den meisten Teilnehmern wird das JCPOA aber als Erfolgsgeschichte gesehen. Tatsächlich ist es das am besten ausgearbeitete Rüstungskontrollabkommen der Geschichte. Dennoch versuchten einige europäische Vertreter, schon der US-Administration entgegenzukommen, wie mit der Forderung, der Iran solle doch bei der Inspektion von konventionellen Militäranlagen kooperativer sein und das Raketenprogramm beschränken.
Saeed Khatibzadeh Direktor des Institute for Political and International Studies (IPIS) in Teheran entgegnete, dass kein Land der Welt uneingeschränkt Militäranlagen zugänglich macht und dass die Erfahrungen aus dem Krieg mit dem Irak gezeigt haben, dass der Iran nicht schutzlos bleiben kann. Ein noch nicht angesprochener Kompromiss könnten Rüstungskontrollverhandlungen, die etwa die Reichweite und Anzahl der Raketen aller Staaten in der Region reduziert, sein (wobei Israel vorerst ausgenommen werden könnte).
Eine Aufkündigung des Wiener Nuklearabkommens hätte, so warnten einige Teilnehmer, auch negative Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen der EU und die USA. Möglicherweise käme es sogar zu einem Handelskrieg, wenn die USA Sanktionen auf europäische Firmen verhängen würden, die weiterhin mit dem Iran Geschäfte machen (Sekundärsanktonen).
In diesem Zusammenhang ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass das JCPOA eine Aufforderung an die Vertragsparteien beinhaltet, sich in guter Absicht dafür einzusetzen, dass der Iran von der Aufhebung der wirtschaftlichen Sanktionen die Vorteile ziehen kann. Die Beibehaltung alter Sanktionen sowie neue Sanktionen könnten somit gegen das Abkommen verstoßen.
DPRK
Einheitliche Auffassung war, dass die DPRK die Nuklearwaffen nicht aufgeben, sondern hingegen weiter ausbauen will. Militärische Drohungen mögen die DPRK abschrecken aber nicht dazu bringen, ihre Nuklearwaffen aufzugeben. Die durchaus rationalen Gründe der DPRK sind die Abschreckung und die Sicherung des Überlebens nach außen und Legitimität nach innen. Die Ansichten, wie man auf Nordkoreas Aktivitäten reagieren sollte, reichten von Anerkennung des Nuklearwaffenstatus Nordkoreas bis zur unbedingten völligen Entnuklearisierung Nordkoreas (eine Ansicht, die der Delegierte Südkoreas bei der EU vertrat).
Militärische Optionen wurden jedoch nicht konkretisiert, denn alle - von der totalen Zerstörung Nordkoreas über beschränkte Militärschläge bis zu Enthauptungsschlägen - hätten katastrophale Auswirkungen nicht nur auf nordkoreanisches Territorium sondern auch auf die Nachbarstaaten Südkorea und Japan.
Die chinesischen Vertreter glauben, dass die DPRK weitere Tests durchführen wird. China fühle seine Sicherheit durch die steigenden Spannungen gefährdet. Aber ein Kollaps des Regimes ist für China keine Alternative. Innerhalb der akademischen Gemeinschaft seien die Stimmen, wie China mit diesen Spannungen umgehen soll, vielfältig. Sie reichen von der Forderung von bilateralen Gesprächen der DPRK mit den USA bis zu Krieg. Als konkrete Schritte wurden von den Teilnehmern das Einfrieren vom Nuklearprogramm im Austausch für ein Aussetzen der gemeinsamen Manöver der USA und der Republik Koreas (Südkorea) sowie ein Friedensertrag, der den Waffenstillstandszustand von 1953 ablösen würde, vorgeschlagen. Mehrere Redner forderten mehr Aktivität von der EU; ein Vorbild wäre das JCPOA. Die Möglichkeit eines Nichtangriffspaktes unter Einschluss von Nuklearwaffen wurde nicht angesprochen.
Neue technologische Herausforderungen und die Zukunft der Rüstungskontrolle
Neu entstehende Technologien schaffen unbekannte Herausforderungen für Rüstungskontrolle. Diese Technologien machen neue wirksame Waffen möglich, solche die autonom über ihren Einsatz entscheiden und menschlichen Einfluss minimieren, sowie hypersonische Waffen. Die Frage stellt sich, ob internationales Völkerrecht angepasst werden müsse. Insbesondere die Verhältnismäßigkeit ihres Einsatzes ist eine unbekannte Größe. Neue Rüstungskontrollmechanismen müssen gefunden werden. Offen blieb die Frage, welche Rolle die Gespräche über konventionelle Waffen in Europa (KSE) spielen können, hatte doch der damalige deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier 2016 als Vorsitzender der Organisation über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vorgeschlagen, neu entstehende Waffensysteme einzubeziehen.
Von US-Seite wird Rüstungskontrolle nicht unbedingt als Reduktion von Arsenalen sondern als Stabilisierungsmaßnahmen verstanden. Das war aber auch das Verständnis von Rüstungskontrolle während des Kalten Krieges. Angela Kane sieht eine Verbindung zwischen regionaler Sicherheit im Osten wie im Süden, dem Nuklearwaffenverbot und die Abkehr der USA vom Multilateralismus. Die normative Ordnung der Rüstungskontrolle wäre gefährdet. Die EU sollte diplomatische Bemühungen von Rüstungskontrolle verstärken und das Vakuum, das die USA hinterlassen haben, füllen. Rüstungsexporte aus der EU in Krisengebiete sollten vermieden werden. Welchen Einfluss die im November 2017 beschlossene Permanente Strukturierte Kooperation auf die EU-Rüstungsexporte haben wird, blieb offen, hat die EU 2008 doch einen gemeinsamen Standpunkt zur rechtlich verbindlichen Rüstungsexportkontrolle angenommen.