Ein Erfolg der Wiener Gespräche über das iranische Nuklearprogramm ist greifbar

Unter Vorsitz der EU begannen am 7. April, 2021 in Wien technische Gespräche über die Umsetzung des Nuklearabkommens mit dem Iran (JCPOA) im Rahmen der „Gemeinsamen Kommission“. Alle beteiligten Parteien haben die Dringlichkeit erkannt. Der Iran entwickelt immer mehr Nuklearwaffenfähigkeit. Die iranischen Wahlen stehen bevor. Der Iran unterzeichnete ein umfassendes Abkommen mit China, wodurch dem Westen wirtschaftliche und politische Einflussmöglichkeiten verloren gehen würden. Der Iran wollte nur indirekt mit den USA sprechen, weil die USA nach ihrem Ausstieg aus dem JCPOA im Jahre 2018 ja nicht Mitglieder „Gemeinsamen Kommission“ sind.

Die „Gemeinsame Kommission“ soll einen Kompromiss zwischen den beiden Maximalpositionen zu finden. Die USA müssten ihre Haltung aufgeben, dass der Iran zuerst alle Verpflichtungen des JCPOA erfüllen müsste, bevor die Sanktionen aufgehoben werden. Der Iran wiederum müsste darauf verzichten, dass alle Sanktionen aufgehoben werden, bevor er seine Verpflichtungen wieder wahrnimmt.

Es gab eine Reihe von Zwischenfällen, die offensichtlich die Wiener Gespräche im April 2021 torpedieren sollten. Ein Anschlag zerstörte das Zentrifugen-System in Irans Nuklearanlage in Natanz. Der Angriff erfolgte einem Tag nachdem der Iran ankündigte, die Urananreicherung mit neuen Zentrifugen zu beginnen. Mit diesem Anschlag sollten nicht nur die Wiener Verhandlungen gestört werden. Es war auch eine Missachtung der beteiligten Staaten, die an einem Erfolg der Gespräche arbeiten. Der Anschlag war eine Verzweiflungstat, die einen Erfolg der Verhandlungen verhindern sollte. Das wirkliche Ziel war nicht das Nuklearprogramm des Iran sondern die Diplomatie.

Der Iran reagierte auf den Anschlag mit der Bekanntgabe, dass er die Urananreicherung auf sechzig Prozent erfolgreich erhöhte. Er hatte die Wiener Kontrollbehörde IAEA entsprechend der Resolution 2231 von diesem Schritt informiert. Damit wollte der Iran beweisen, dass sein Nuklearprogramm durch den Anschlag nicht zurückgesetzt wurde. Diese Eskalation der Maßnahmen zeigte, dass nicht Anschläge sondern nur ein Nuklearabkommen eine iranische Nuklearbombe verhindern können. Während der Verhandlungen kündigte die EU außerdem an, weitere Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. Sie betrafen Vertreter der iranischen Sicherheitsbehörden wegen ihrer Rolle bei der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste im November 2019.

Dennoch gelang es, die Wiener Gespräche unabhängig von diesen äußeren Ereignissen weiterzuführen. Der Fahrplan war festgelegt und wurde fortgesetzt. Sowohl der Anschlag in Natanz als auch die Ankündigung des Iran, die Urananreicherung auf sechzig Prozent zu erhöhen und auch die Verhängung neuer Sanktionen über den Iran hätte von den einzelnen beteiligten Staaten als Vorwand genommen werden können, die Gespräche platzen zu lassen.

Zur Wiederaufnahme der Gespräche in Wien am 15. April 2021, brachte der Iran neben Experten der iranischen Atomenergiebehörde, Vertreter des Ölministeriums und der Zentralbank mit nach Wien, was auf die Prioritäten des Iran schließen ließ. Damit deutete der Iran eine weitere Möglichkeit an, nämlich dass es nicht einen starren Schritt für Schritt-Mechanismus geben soll, sondern eine Prioritätenliste. Für den Iran sind der gesicherte Ölverkauf und der Zugang zum Finanzsystem SWIFT oberste Prioritäten.

Es geht auch darum zu klären, wann die einzelnen Fristen zur Beschränkung der Nuklearaktivitäten des Irans neu zu laufen beginnen. Die Präferenzen des Iran dürften bei 2017 liegen, bevor die USA das Abkommen verließen und weitere schwere Sanktionen über den Iran verhängt wurden. Die Präferenzen der USA dürften bei 2015 liegen, wodurch sich die Laufzeiten der Beschränkungen verlängern würden.

Ein Scheitern der Wiener Verhandlungen würden weitreichende Konsequenzen haben. Der Iran würde sein Nuklearprogramm weiter ausbauen, ohne direkte eine Nuklearwaffe zu bauen. Das würde reichen, dass Israel weiter die Nuklearanlagen und andere Ziele angreifen und versuchen wird, die USA hineinzuziehen. Der Iran würde die Inspektionen der IAEA weiter einschränken und möglicherweise drohen, den Atomwaffensperrvertrag zu verlassen. Saudi Arabien würde sein unkontrolliertes bereits weit vorangeschrittenes Nuklearprogramm ausbauen und vielleicht eine Nuklearbombe von Pakistan kaufen.

Das Originalinterview mit Heinz Gärtner finden Sie hier.


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Univ. Prof. Dr. Heinz Gärtner is a lecturer in the Department of Political Science at the University of Vienna and at Danube University. He was academic director of the Austrian Institute for International Affairs. He has held various Fulbright Fellowships and the Austrian Chair at Stanford University. He was Austrian Marshall Plan Foundation Fellow at the Johns Hopkins University in Washington DC. Among other things, Gärtner chairs the Strategy and Security advisory board of the Austrian Armed Forces and the Advisory Board of the International Institute for Peace (IIP) in Vienna. He has published widely on international security, nuclear non-proliferation and disarmament, US foreign policy, geopolitics, Iran, and the Middle East.