Peace First – Brauchen wir eine neue Friedensbewegung?

Am 13. Dezember lud das Internationale Institut für den Frieden (IIF) zu Vernissage, Lesung und Diskussion über das Thema ‚Peace First – Brauchen wir eine neue Friedensbewegung?` ein. Zu Gast waren Gabriele Matzner, ehemalige Botschafterin Österreichs und Publizistin, Antonio Fian, Schriststeller, Egbert Jahn, Friedensforscher und Hannes Swoboda, Präsident IIF und ehemaliges MEP. Durch den Abend moderierte Trautl Brandstaller, Publizistin; Stephanie Fenkart, Direktorin IIF hieß die Gäste willkommen. 

Zunächst begann Antonio Fian mit seiner Lesung: er trug teils satirische Kurzgeschichten zu Themen österreichischer oder europäischer Politik und Gesellschaft vor. 

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Ausgangspunkt der anschließenden Diskussion war die Frage, warum es heutzutage keine (großen) Friedensbewegungen mehr gibt. Jahn vertrat die These, dass die letzte große internationale Friedensbewegung 1912 stattfand, in den Ländern, die sich auf einen Krieg gegeneinander vorbereitet hatten. Die nötigen Bedingungen für eine Friedensbewegung sind gegeben, wenn Menschen sich durch die eigene Regierung bedroht fühlen, daher sind Kriege in fernen oder bloß fremden Ländern kein Auslöser für hiesige Friedensbewegungen. Im Angesicht des drohenden ersten Weltkrieges war das jedoch der Fall. Friedensbewegungen haben jedoch in aller Regeln keinen Einfluss auf die Kriegsentwicklungen nehmen können, zumindest nicht direkt. Die zivilen Proteste gegen den Vietnamkrieg haben mittelbare Wirkung entfalten können: sie konnten lediglich beitragenzum Ende des Krieges.  

Heutzutage problematisch sei die politisch passive Jugend, so Swoboda. Anderseits müsste man inzwischen strenggenommen, dauerhaft protestieren, angesichts der vielen Krisen, Konflikte und Kriege der heutigen Zeit. Weiterhin ist die persönliche Positionierung gegen politische Konflikte zunehmend einem ‚entweder/oder‘ unterworfen, ein schwarz-weiß- Denken, was zu radikal ist um differenzierte Ansichten über Konflikte zuzulassen. 

Matzner vermutet, dass es einen Wertewandel gegeben hat, in den letzten 20/30 Jahren, betreffend der Gewalt in Kriegen und Frieden, so zum Beispiel die Abwertung der Idee von Kooperation. Kooperation wurde durch die Mentalität von Kompetition ersetzt. Kooperation existiert stattdessen in der Form, dass man gemeinsam vereinbart die Schwächen eines Dritten auszunutzen. Der Pazifismus dagegen wurde schon früh systematisch diskreditiert, als schwach, feige und moralisch fragwürdig, da er auch Verteidigungsmaßnahmen oder humanitäre Interventionen ablehnt. Die ehemaligen Linken, Anführer der Friedensbewegungen wie man sie aus der Vergangenheit kennt, haben zudem vermehrt selbst nach gewaltvollen Maßnahmen gegen die großen Bösen (Hussein etc.) gerufen und sind von ihrer pazifistischen Position abgerückt. Zusätzlich sind humanitäre Interventionen heutzutage zunehmend technisierte militärische Aktionen, die daher menschlich und gesellschaftlich sehr weit entfernt erscheinen. 

Friedensbewegungen entstehen aus gesellschaftlichen und politischen Gründen; dass sie sich so sehr auf Abrüstungsforderungen beschränken ist eine Schwäche, weil dadurch die politischen Probleme nicht als ursächlich kommuniziert werden. „Rüstung ist nur das Mittel durch Durchsetzungen von kriegerischer Politik“, so Jahn. So sind zum Beispiel zukünftige Kriegsfelder bereits erkennbar in denen sich ein dritter Weltkrieg entwickeln kann, was aber nichts mit Rüstungsentwicklungen zu tun hat und viel dringender von Friedensbewegungen und Regierungen thematisiert werden müsste. 

Konflikte zu verstehen ist essentiell für ihre Lösung. Es ist daher problematisch, dass gesellschaftliche und politische Konflikte lediglich oberflächlich und auch falsch diskutiert werden. Für eine Friedensbewegung ist es aber fundamental wichtig analysieren zu können wo und wann Fehler von welcher Seite begangen wurden, eine distanzierte Sicht auf die Dinge ist unabdingbar. Heutzutage fehlt es an solchen klaren und eindeutigen Analysen, Beispiel dafür ist der Ukraine Konflikt oder auch die Migrationsdebatte der vergangen drei Jahre. 

Auch wirtschaftliche Interessen spielen immer eine große Rolle: an Kriegen wird verdient, Wohlstand bedeutet Macht und aufsteigende Wirtschaftsmächte bringen bestehende Machtbalancen aus dem Gleichgewicht. Auch das muss eine Friedensbewegung berücksichtigen. Diese Konfliktpotentiale sowie zunehmende Schwächen internationaler Institutionen wie beispielsweise dem Völkerrecht müssten Friedensbewegungen mehr in den Fokus nehmen. 

Obwohl es in den letzten zweihundert Jahren immer wieder große Misserfolge für die Friedensbewegungen gegeben hat, hat sich das politische Bewusstsein in vielen Völker geändert: so die Gründung der UN, der jeder Staat angehört; auch würde es heute keine Veranstaltungen breiter Massen zur Kriegsverherrlichung geben. Friedensbewegung darf keine Bewegung von Minderheiten, auf der Straße sein, sondern muss in den Köpfen aller Menschen stattfinden. Problematisch daran sei, so Swoboda, dass in den Köpfen gleichzeitig der Gedanke eingepflanzt wird, Sicherheit sei zunehmende gefährdet und nur mittels Gewalt zu verteidigen. 

Eine andere diskutierte Dimension von Friedensbewegungen ist die Verbindung zu religiösen Konflikten. Streng Gläubige Menschen, egal welcher Religion sie angehörig sind, sind geneigter Kriege zu befürworten als nichtgläubige Menschen. Ursachen könnten sein, dass sie an absoluten Wahrheiten orientiert sind und dass für sie eine Relativierung des irdischen Lebens möglich ist, wodurch der Tod leichter zu rechtfertigen ist. Die Lösung ist aber nicht die Befreiung von der Religion: alle Religionen bieten Ansätze für Kooperation, Nächstenliebe und Toleranz. Der Konflikt liegt daher innerhalb der religiösen Gemeinschaften, die miteinander in Toleranz und Frieden leben lernen müssten, nicht zwischen religiösen und nicht-religiösen Menschen.

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