KULTUR IN ZEITEN VON DE-KOLONIALSIERUNG UND GLOBALISIERUNG

Wir leben in einer Welt die nach wie vor durch die Globalisierung gekennzeichnet ist, auch wenn es einige - oftmals übertrieben dargestellte Elemente der De-Globalisierung gibt. Anderseits ist die De-Kolonialisierung keineswegs abgeschlossen - vor allem im kulturellen Bereich. Aber beide Prozesse laufen nicht ohne Hindernisse und Krisen ab. Wenn man den zahlreichen Publikationen zur heutigen globalen Situation glauben darf, leben wir in einer Welt von zunehmenden wirtschaftlichen und sozialen Störungen und Brüchen. Die Hoffnung auf einen stufenweisen Übergang zu einer friedlichen Welt mit intensivem, friktionsfreiem Austausch von Waren, Leistungen und Ideen haben sich nicht erfüllt. Es gibt kein Ende der Geschichte, wie es Francis Fukuyama zumindest als möglich hingestellt hat.

 

In seinem berühmt gewordenen Werk erachtet es Francis Fukuyama im Kapitel „Schlachten des Geistes“ als wahrscheinlich, dass „im Laufe der Zeit immer mehr Gesellschaften mit unterschiedlicher Kultur und Geschichte ähnliche langfristige Entwicklungsmuster aufweisen“. „Die scheinbaren Unterschiede in der „Sprache des Guten und des Bösen“ der Völker werden sich dann als Kunstprodukte des jeweiligen Stadiums der historischen Entwicklung erweisen.“ Fukuyama sah die Welt auch „auf dem Weg zu einer Friedensunion“. (1) Auch wenn er selbst immer wieder Zweifel zum Ausdruck brachte, ob alles so glatt gehen wird, wie er es sich ausmalte, so war sein Ansatz ein äußerst optimistischer. Allerdings, heute müssen wir erkennen, dass viele Bedrohungen, die wir der Vergangenheit zugerechnet haben, zurückgekehrt sind. Am deutlichsten wurde dies als Russland den Krieg gegen die Ukraine begann.

Diese Brüche und Krisen führen bei vielen Menschen zur Sehnsucht nach einfachen und schnellen Lösungen. Und es gibt politische Kräfte, die solche versprechen. Wir sollten aber diesem Angebot an - nur scheinbar - einfachen Lösungen etwas entgegensetzen. Das ist sicher die Hauptaufgabe einer verantwortlichen Politik. Aber sollten nicht auch Wissenschaft und Kultur den marktschreierischen Verführern entgegenarbeiten? Sind nicht gerade Kulturschaffende und Kulturinstitutionen auf Grund ihrer Offenheit und Kreativität geeignet einen wesentlichen Beitrag zum friedlichen Dialog quer über Nationen und Herkunft zu leisten? Und sollten nicht zum Beispiel Museen und vor allem Weltmuseen eine Rolle des Verstehens und der Verständigung übernehmen?

 

Dem stehen aber neue Forderungen gegenüber, die eine kulturelle Aneignung durch „Fremde“ ablehnen und vielfach als neue Form des Kolonialismus bezeichnen. Diejenigen, die solche Forderungen aufstellen, gehen von einer sehr engen Definition von Kultur aus, einer Definition, die die nationale bzw. ethnische Zugehörigkeit bzw. Identität in den Mittelpunkt stellt. Diese Auseinandersetzung zwischen dem Konzept der Offenheit und Engheit - um nicht Engstirnigkeit zu sagen -, sollte im Folgenden vor allem am Beispiel von Museen erläutert werden. Museen sollten ja nicht nur als Aufbewahr- und Präsentationseinrichtungen von Kulturgütern verstanden werden, sondern sich auch in öffentliche Debatten engagieren.

WELTMUSEEN HEUTE
Weltmuseen bzw. „Museums of other People“ (Adam Kuper) sind immer mehr Gegenstand von heftigen Diskussionen. Haben sie überhaupt noch eine Rechtfertigung, vor allem solche in den Ländern des reichen Nordens? Werden sie im Falle der Rückgabe unrechtmäßig erworbener Kulturgüter nicht leergeräumt und ihrer Funktion beraubt? Sind sie nicht grundsätzlich Ausdruck einer kolonialen und imperialen Haltung? Und ein jüngster Beitrag in der New York Times, meinte, dass jeder Besucher von Weltmuseen vor einem ethischen Dilemma steht. Darf man mit ruhigem Gewissen überhaupt Objekte betrachten, deren Herkunft zweifelhaft ist? (2)


Sicher ist, dass sich die Museumsverantwortlichen ernsthafte Gedanken machen müssen, welche Rolle solche Museen in Zukunft spielen können bzw. sollten. Eines dieser Museen ist das Humboldt-Forum in Berlin, das nicht zuletzt wegen seiner Architektur (teilweise wurde das alte Stadtschloss rekonstruiert) umstritten und immer wieder in der Kritik steht. Diese Diskussionen lenken aber von der eigentlichen Funktion, die solche Einrichtungen auch(!) haben sollten ab. Eine entscheidende Frage hinsichtlich des Humboldt-Forums in Berlin und vieler anderer, ähnlicher Museen ist also, ob sie ihrer heutigen(!) gesellschaftlichen Aufgabe gerecht werden und ob sie ihr Potential voll ausnützen.

Die Internationale Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“ - der ich vorsitzen durfte - definierte die Aufgabe des Humboldt-Forums folgendermaßen: es sollte „als Ort des Dialogs, der bürgerlichen Teilhabe und der gleichrangigen Zeitgenossenschaft der Weltkulturen ein neuartiges Konzept für das 21. Jahrhundert sein.“ Es geht also um den Dialog, die Teilhabe der Bevölkerung und die Anerkennung der Gleichrangigkeit der Weltkulturen, und zwar innerhalb eines neuartigen Konzepts. An anderer Stelle der Empfehlungen ist auch von „Integration von Kunst und Kulturen der Welt“ die Rede. 

Kann aber ein Museum, das verschiedene ethnografische Sammlungen vereint, überhaupt eine solche Leistung erbringen? Wie soll das gelingen, so meint Fritz Kramer in seiner Kritik, wenn „Australien durch einen Bumerang und Amerika durch einen Federschmuck vertreten ist“. Für ihn ist das eine „offensichtliche Absurdität.“ (3) In der Tat der Weg von Artefakten aus vergangenen Jahrhunderten zum Dialog zwischen gegenwärtigen Weltkulturen ist lang. Aber er ist nicht unmöglich zu gehen und es könnte ein sehr spannender Weg sein. 

Selbstverständlich sollen Museen auch weiterhin ihre gesammelten Gegenstände präsentieren. Sie können sie im ethnografischen und anthropologischen Zusammenhang ausstellen oder einfach als Kunstwerke. Auch das ist ein Gegenstand heftiger Diskussionen. Aber es geht um mehr. Stanislas Spero Adotevi (4) meint in seinem Beitrag „Museums in Contemporary Educational and Cultural Systems“, dass man die „Dritte Welt und insbesondere den Kontinent Afrika nicht in ein Museum“ stecken darf. Die Museologie muss „explodieren“, indem das Museum „Platz machen muss für Trainingszentren und historische Auffrischungskurse“. Dabei muss dieser Dialog einen zukunftsorientierten Ansatz verfolgen und nicht einen retrospektiven. Und das heißt, dass es auch um Konfrontation und eine kritische Distanz zur Idealisierung von Kulturen geht. In diesem Zusammenhang möchte ich an Walter Benjamins Aussage erinnern, dass jede Dokumentation der Zivilisation auch eine Dokumentation der Barbarei darstellt. 

 

Eine besonders heiß diskutierte Forderung ist die nach der Rückgabe unrechtmäßig erworbener Gegenstände. Dabei ist nicht immer klar was unrechtmäßig bzw. unter Druck und ohne entsprechende Gegenleistung in die Museen gekommen ist. Diskutiert wird auch ob die Gegenstände nach ihrer Rückkehr ein entsprechendes zu Hause finden. Unlängst ist auch das Verschwinden mancher zurückgegebenen Artefakte beklagt worden. So meinte Brigitta Hauser-Schäublin in der FAZ: „Deutsche Museen geben Hunderte von Benin-Bronzen an Nigeria zurück. Die Befürchtung, viele davon könnten verschwinden oder auf dem Kunstmarkt landen, hat einen realen Hintergrund. Das zeigt ein Blick in die von Deutschen finanzierte Datenbank „Digital Benin“. (5)

 

Diese Debatten werden nicht so bald zu Ende gehen. Entscheidend wird sein, dass sich die Verantwortlichen der Museen zu einer engen Kooperation entschließen. Die Verbrechen der Vergangenheit können nicht wieder gut gemacht werden. Aber der Nationalismus, der letztendlich zur Überheblichkeit der „westlichen“ Kultur geführt hat und der dem Kolonialismus zu Grunde liegt, der muss überwunden werden. Neben der Rückgabe klar geraubter Gegenstände, braucht es gemeinsamer Präsentationen und Diskussionen über alle Grenzen und Kontinente hinweg, die die vergangene Engstirnigkeit und koloniale Überheblichkeit überwinden.

KOLONIALISMUS UND DEKOLONISIERUNG 
In vielen Fällen führt der Weg von den Artefakten zum Dialog und zur Konfrontation vorrangig über die Beschäftigung mit dem Kolonialismus. Es geht in diesem Zusammenhang nicht nur darum, geraubte Gegenstände zurückzugeben - dabei ist allerdings oftmals nicht klar an wen die Rückgabe erfolgen soll. Es geht auch darum, über den Kolonialismus vergangener Perioden und in der Gegenwart (!) zu reden. Es ist primär die europäische Schuld zu behandeln aber auch die verbrecherische Verknüpfung zwischen den Kolonialmächten und lokalen Helfern. Auch diesbezüglich gibt es nichts zu idealisieren. 

Darüber hinaus geht es auch um heutige Formen des Kolonialismus insbesondere durch die ungleiche Verteilung des klimatischen Fußabdrucks und der Klimaschäden. In diesem Zusammenhang meinte David Van Reybrouck, der sich intensiv mit dem Kolonialismus im Kongo und in Indonesien beschäftigte: „Denn selbst wenn wir den Kolonialismus der Vergangenheit völlig aufgearbeitet haben sollten, werden wir immer noch nichts an der dramatischen Art und Weise geändert haben, mit der wir heute die Zukunft kolonialisieren“. (6) Das geschieht vor allem durch die massive Klimaveränderung, die primär von der industrialisierten Welt ausgeht. 

Das gibt genug Stoff, um das Verhältnis verschiedener Kulturen inkl. der Religionen bzw. der Zivilisationen zur Natur und zur „Naturbewältigung“ zu thematisieren. Insbesondere angesichts vieler Vereinfachungen in der Klimadebatte ist eine Betrachtung der Zusammenhänge zwischen Klimabelastungen aber auch der nachhaltigen Klimapolitik in den reicheren Ländern und den Konsequenzen in den ärmeren, aber rohstoffreichen Ländern eine spannende Frage. 

GLOBALISIERUNG VERSUS IDENTITÄT 
Vielfach wird in der Öffentlichkeit von einer durch die Globalisierung bedingte Gleichmacherei gesprochen, die die Unterschiede in den kulturellen Auffassungen und Darstellungen zum Verschwinden bringen. Sicher ist, dass die stärkere und vermehrte Begegnung von Vertretern der verschiedenen Kulturen zu einer stärkeren Angleichung bzw. Übernahme von Elementen anderer Kulturen führt. Aber Kulturen waren immer auch „fremden“ Einflüssen ausgesetzt. So meint Francois Jullien:“ ….schließlich zeichnet sich das Kulturelle ja gerade dadurch aus, dass es mutiert und sich verwandelt.“ (7) Dabei sollten wir allerdings zugeben, dass sich das Tempo der Veränderung und Anpassungen durch die stärkere internationale Begegnung beschleunigt hat. 

 

Martin Pucher meint in seinem Werk „Culture - A New World History“: Kultur…entsteht nicht nur aus den Ressourcen einer Gemeinschaft, sondern aus der Begegnung mit anderen Kulturen. Sie entsteht nicht nur aus der lebendigen Erfahrung einzelner Individuen sondern auch aus geborgten Formen und Ideen, die es Individuen ermöglicht ihre eigene Erfahrung zu verstehen und auch in neuen Formen auszudrücken…Falsche Ideen von Besitz und Eigentum legen der Kultur Grenzen und Beschränkungen auf, die zu verarmten Formen der kulturellen Äußerungen führen.“ (8)

In diesem Zusammenhang sollte man mit Vorsicht die Fragen der Identität und der kulturellen Aneignung behandeln. Auch Identität ist etwas Fließendes und Veränderbares. Außerdem hat jeder Mensch verschiedene Identitäten und das gilt auch für Gesellschaften. Und was die Kritik mancher radikalen Vertreter der „rassisch - kulturellen“ Identität an der Aneignung durch „Fremde“ betrifft, so ist in diesem Zusammenhang Jens Balzer zuzustimmen wenn er meint, dass:“ …jede Kultur schon immer aus der Aneignung anderer Kulturen entstanden ist; weil sich kulturelle Schöpfung, Beweglichkeit und Entwicklung ohne Approbation gar nicht denken lassen. Kultur ist Aneignung, was umso mehr gilt in einer Welt, die geprägt ist von der Globalisierung der Kommunikation und der kulturellen Produktion.“ (9)

Sicher ist aber auch, dass dieser Globalisierung, insbesondere in Form verstärkter Migration, von Teilen der Bevölkerung mit Misstrauen und Ängsten begegnet wird. Umso wichtiger ist der öffentliche Diskurs über Migration und kulturellen Austausch. Auch wenn man Jens Balzer zustimmt, dass diese globalen Entwicklungen „zunächst einen Zuwachs an Möglichkeiten, an individueller, künstlerischer und existenzieller Freiheit“ bringen, so muss man anerkennen, dass dies nicht alle so sehen bzw. akzeptieren können. Schließlich ist die Unsicherheit durch „kulturelle Bedrohungen“ ein viel entscheidender Faktor für einen Teil der Wählerschaft als ökonomische Faktoren. 

Pranab Bardhan stellt in seinem Werk „A World of Insecurity“ fest, dass „Spannungen im Zusammenhang mit der Zuwanderung auch dann bestehen bleiben, wenn Leute überzeugt werden können, dass der Nettoeffekt für die Wirtschaft positiv ist und keine Belastung für das Sozialsystem entsteht“. (10) In vielen Ländern Europas, in den USA und in Indien spielt die „kulturelle Unsicherheit“ - wenn auch angeheizt durch politische Kräfte - eine größere Rolle als die wirtschaftliche Unsicherheit. Auch daraus ergibt sich genug Stoff für ernsthafte Auseinandersetzungen über den Zusammenhang zwischen Kulturen und dem Einfluss von Migration bzw. wie verschiedene Kulturen und Zivilisationen mit Flucht und Migration und dadurch entstehenden kulturellen Einflüssen umgehen. 

(ETHNISCHER) NATIONALISMUS VERSUS UNIVERSALISMUS
Der Versuch die eigene Identität unter allen Umständen zu wahren führt vielfach zum ethnischen Nationalismus, einem Nationalismus, der kein inklusiver ist, sondern einen Teil der Bevölkerung - im Regel die Minderheit bzw. Minderheiten - ausschließt. Damit unterscheidet er sich vom zivilen bzw. konstitutionellen Nationalismus der alle Bürger*innen umfasst, der sich nicht auf die ethnische Zugehörigkeit stützt, sondern auf das Bekenntnis zur nationalen Verfassung. Man kann davon ausgehen, dass, wie es Pranab Bardhan ausdrückt, Nationalismus - oder man könnte auch sagen Patriotismus - stark emotional besetzt ist und nicht einfach „abgeschafft“ bzw. überwunden werden kann. Es geht vielmehr darum den zivilen Nationalismus mit einem Bekenntnis zu universalen Werten zu verknüpfen.

Der ethnische Nationalismus verstößt eindeutig gegen die Grundsätze der Menschenrechte, indem er einem Teil der Bevölkerung bestimmte Rechte vorenthält und diskriminiert. Er leugnet überdies, was Adam Kuper klar festhält: „Jede menschliche Gesellschaft ist hybrid, eine dynamische Mischung aus Traditionen und Bevölkerung. Vielleicht, auch wenn manche es leugnen, werden wir alle Kosmopoliten.“ (11) Der israelisch-deutsche Philosoph Omri Boem fordert einen „radikalen Universalismus jenseits von Identität“ und meint: „Die abstrakte Verpflichtung auf die Menschheit löscht die Identitäten nicht aus; ganz im Gegenteil sind es die Identitäten, die sich gegenseitig auslöschen. Letztlich wird nur der Universalismus sie verteidigen können.“ (12)

Eine wichtige Herausforderung, vor der unsere Gesellschaften stehen, ist wie man den Wunsch vieler Menschen nach Geborgenheit in „ihrer“ Gemeinschaft mit „ihrer“ Kultur“ in Einklang mit der Akzeptanz und Durchsetzung universeller Rechte bringen kann. Wie kann die Sehnsucht nach dem Lokalen und Gewohnten mit einer Anerkennung anderer Kulturen und von Werten und Rechten für alle verknüpft werden? Wie - um mit den von Omri Boem verwendeten Termini zu bleiben - kann das Konkrete mit dem Abstrakten verbunden werden?

Auf der anderen Seite geht es auch darum, den Kritikern der kulturellen Aneignung etwas entgegenzuhalten. Bei der Kultur geht es nicht um Eigentum bzw. Besitz und Eigentums- bzw. Besitzschutz. Aneignung kann - wenn sie den Ursprung und den ursprünglichen Gebrauch achtet - für eine sinnvolle Verbreitung und Weiterentwicklung sorgen. Abzulehnen ist eine Aneignung die Vorurteile und Stereotypen verfestigt. 

 

Aber sicher ist Martin Pucher zuzustimmen, wenn er feststellt, dass „die Kulturgeschichte immer wieder zeigt, dass es die Puristen und Puritaner sind - von welcher makellosen Tugend sie auch ausgehen - die sich am ehesten in der Zerstörung von Kulturgütern engagieren.“ (13)

Oben habe ich aus dem Kapitel „Schlachten des Geistes“ aus dem Buch von Francis Fukuyama zitiert. Sie sind allemal besser und zukunftsweisender als die militärischen Schlachten und die Zerstörung von Kulturgütern. Die kulturellen Auseinandersetzungen können zu geistigen Schlachten führen, die auf der Grundlage von Respekt und Anerkennung beruhen. Sie sollten dabei nationalistische und ethnische Verengungen vermeiden und die gegenseitige Befruchtung der Kulturen anerkennen. Solche positiven Beeinflussungen können sogar auch aus ungleichen und kolonialistischen Begegnungen heraus erfolgen, wie es viele Kulturschaffende aus der südlichen Hemisphäre belegen und praktizieren.

 

Dabei geht es nicht um die Herstellung einer Einheitskultur, sondern um kulturelle Strömungen und Haltungen die offen für Einflüsse von „außen“ und zum Dialog bereit sind. Das setzt auch voraus die Fehler und Verbrechen der eigenen Kultur und Zivilisation, die in der Vergangenheit begangen worden sind, offen anzusprechen. Entscheidend ist aber die Bereitschaft an einer globalen Zivilisation der Vielfalt und des Respekts mitzuwirken. Der Respekt muss sich auf die jeweils „Anderen“ beziehen aber vor allem auch auf die gemeinsamen - leider allzu ungleich verteilten - Lebensgrundlagen.

 

Zu all diesen Fragen können - und sollten - Weltmuseen mit Rückgriff auf ihre Sammlungen und Forschungen spannende Beiträge leisten, ohne ihre Wissenschaftlichkeit zu verlieren. Im Gegenteil durch solche Diskussionen können neue Anregungen und Ideen für ihre Forschungen erwachsen. 

1) Francis Fukuyama, Das Ende der Geschichte, Kindler, 1992

2) New York Times International Edition, 1.3.2023
3) Fritz Kramer in Karl-Heinz Kohl, Fritz Kramer, Johann Michael Möller, Geroen Sievernich and Gisela Völger, Das Humboldt Forum und die Ethnologie, Kula Verlag, 2019
4) Stanislas Spero Adotevi, Museums in Contemporary Educational and Cultural Systems in Susanne Leeb, Nina Samuel (eds) Museums, Transculturality, and the Nation-State, transcript Verlag, 2022

5) Wie eine Welt verloren geht, F.A.Z. 28.2.2023
6) David Van Reybrouck, Jenseits des Wendekreises, Philosophie Magazin Sonderausgabe, 2023
7) Francois Jullien, Es gibt keine kulturelle Identität, Edition Suhrkamp, 2019

8) Martin Pucher, A Culture - A New World History, Ithaka Press,XII, 2023
9) Jens Balzer, Ethik der Appropriation, Matthes&Seitz Berlin, 2022
10) Pranab Bardhan, A World of Insecurity, Harvard University Press, 2022
11) Adam Kuper, The Museum of Other People, Profile Books, 2023
12) Omri Boehm, Radikaler Universalismus - Jenseits von Identität, Ullstein Verlag, 2022

13) Martin Pucher, ebenda,


Dr. Hannes Swoboda, President of the International Institute for Peace (IIP), started his career in urban politics in Vienna and was elected member of the European Parliament in 1996. He was Vice President of the Social Democrat Group until 2012 und then President until 2014. He was particularly engaged in foreign, enlargement, and neighborhood policies. Swoboda is also President of the Vienna Institute for International Economics, the Centre of Architecture, the University for Applied Science - Campus Vienna, and the Sir Peter Ustinov Institute.