Am 2. Mai 2019 lud das Internationale Institut für den Frieden (IIF) zusammen mit Amnesty International im Rahmen der bevorstehenden Europaparlamentswahlen im Mai zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Europa hat die Wahl? Welche Werte wollen wir leben?“ mit österreichischen SpitzenkandidatInnen bzw. deren VertreterInnen.
An der Diskussion teilgenommen haben,
Evelyn Regner, MEP der SPÖ;
Ewa Dziedzic, Bundesrätin, und Kandidatin zur EU-Wahl der Grünen;
Johannes Voggenhuber, Spitzenkandidat EU-Wahl der Liste JETZT
und Christoph Wiederkehr, Klubobmann der NEOS in Wien.
Hannes Swoboda, Präsident des Internationalen Instituts für den Frieden und ehemaliger MEP moderierte die Diskussion.
RepräsentantInnen der ÖVP sowie der FPÖ waren trotz mehrerer Anfragen seitens des IIP und Amnesty International nicht anwesend. Harald Vilimsky, Spitzenkandidat der FPÖ, hat einer Teilnahme zwar zugestimmt, ist aber leider nicht erschienen.
Die Wahl zum Europäischen Parlament 2019 ist von großer politischer Bedeutung. Denn mit den KandidatInnen der einzelnen Parteien, stehen auch verschiedene Ziele und Wertvorstellungen zur Wahl, die Europa und dementsprechend unser Zusammenleben in den nächsten Jahren prägen werden. Seit der letzten EU-Wahl 2014 hat es maßgebliche Entwicklungen gegeben, welche bis heute bedeutende Auswirkungen auf die EU-Politik haben. Zum einen kam es 2015 zu einer großen Flüchtlings- und Migrationsbewegung aus Drittstaaten in die EU, zum anderen hat sich 2016 mit dem Brexit erstmals ein Land entschieden die Europäische Union zu verlassen.
Die Wahl des EU-Parlaments ist gerade deshalb so wichtig, da sie die einzige Institution in der EU ist, die direkt vom Volk gewählt wird und somit einen erheblichen Beitrag zur direkten Demokratie leistet. Die Wahl bietet daher die Möglichkeit mitzuentscheiden in welche Richtung sich die EU in Zukunft entwickelt und diese somit aktiv mitzugestalten. Neben den 4 Freiheiten (Personen-, Waren, Dienstleistungs-, und Kapitalverkehrsfreiheit) ist die EU vor allem noch etwas, nämlich ein einzigartiges Friedensprojekt europäischer Staaten, das es so in der Geschichte unseres Kontinents noch nicht gegeben hat.
Werte wie Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und die Wahrung der Menschenrechte müssen in Zeiten wie diesen stetig neu erkämpft werden, so Wiederkehr. Denn die Entwicklungen in Ungarn und Polen können ganz deutlich als offenkundige Attacken auf die Rechtsstaatlichkeit und die Werteordnung der Europäischen Union gedeutet werden.
Warum es zu dieser Demokratiegefährdung kommt, wird im öffentlichen Diskurs nur angeschnitten. Verkürzt können die Abstiegsängste der europäischen Bevölkerung, vor allem nach der Wirtschaftskrise, sowie das Gefühl der Ohnmacht oder der Handlungsunfähigkeit seitens der europäischen Bevölkerung verantwortlich gemacht werden.
Das Konzept der illiberalen Demokratie, welches immer öfter im Zusammenhang mit der Politik Ungarns oder Polens gebraucht wird - da sind sich alle KandidatInnen und VertreterInnen einig – führt in die Irre, denn Demokratie ist per se liberal und schützt Menschenrechte sowie Meinungsfreiheit. Eine sogenannte illiberale Demokratie ist keine Demokratie.
Auch die sogenannte “Allianz der Rechten”, welcher Matteo Salvini und Victor Orban angehören und der auch die FPÖ ihre Unterstützung anbietet, übt Druck auf die demokratische Grundordnung aus. Es folgt eine internationale Tendenz, dass Staaten, die relativ demokratisch waren, wieder zu autoritären Regimen umschwenken, was insbesondere in der Türkei aber bspw. auch in Russland beobachtet werden kann.
Der Rückschritt hin zu autoritären Regimen dieser Länder hat auch erheblichen Einfluss auf demokratische Strukturen in Europa. Auch in Österreich sind solche Tendenzen erkennbar, so ist Österreich beim internationalen Index der Medienfreiheit im letzten Jahr um ganze fünf Plätze abgerutscht. Die Zusammenarbeit aller Parteien, über Fraktionsgrenzen hinweg, wird hinsichtlich dieser Bedrohungen der Demokratie immer bedeutender. Es müssen sich diejenigen zusammentun die dieselben Werte verteidigen möchten, so Evelyn Regner der SPÖ.
In diesem Zusammenhang kommt auch die Frage nach einer gemeinsamen europäischen Identität auf. Was sind denn eigentlich unsere - europäischen Werte? Identität sei keine Einbahnstraße, sondern würde im stetigen Wandel stehen, betont Frau Dziedzic von den Grünen. Wichtig sei es, gemeinsame demokratische Werte wie Menschenrechte und Meinungsfreiheit zu propagieren und zu verteidigen. Die Einbindung der Bevölkerung in Entscheidungsprozesse ist hierfür besonders wichtig, damit das Vertrauen der Menschen in die europäischen Institutionen wiederhergestellt wird.
Die aktuelle Politik rund um Asyl- und Fluchtbewegungen wird auch bei diesen Europawahlen besonders hervorgehoben. Vor allem die Zuständigkeit der Europäischen Union hinsichtlich dieser Thematik wurde intensiv diskutiert. Welche Rolle kommt den direkt betroffenen Mitgliedstaaten zu und inwiefern hat die Europapolitik Einfluss auf diese? Die Umsetzung der Beschlüsse im Europaparlament und gemeinsame Verteilungsmechanismen scheitern oft wegen Unstimmigkeiten von Mitgliedstaaten. Die Tatsache, dass die Fragen rund um Verteilung und Versorgung von Flüchtlingen von einem teilweise xenophoben, nationalen Diskurs getragen wird, erleichtert einen Konsens auf EU-Ebene keineswegs. Dass noch weitaus gravierendere Fluchtbewegungen aufgrund der Klimakrise auf die Mitgliedsstaaten zukommen werden ist eine weitere Herausforderung derer sich die EU in Zukunft stellen wird müssen.
Welche Motivationen haben die KandidatInnen bzw. VertreterInnen für die Europawahlen?
Herr Voggenhuber setzt sich für ein selbstbestimmtes Europa ein und fordert Reformen der Demokratie und eine gemeinsame europäische Verfassung. Das Versprechen an dieses Europa muss erneuert werden, dies kann nur durch Kooperation und gemeinsame Lösungsansätze gelingen. Denn eines der größten Demokratiedefizite der Europäischen Union ist die geringe Wahlbeteiligung. Deswegen liegt es in der Verantwortung aller Bürger sich für ein solidarisches, demokratisches und freies Europa einzusetzen und in dem Sinne am 26. Mai wählen zu gehen!