COP 27 - ENTTÄUSCHUNG UND HOFFNUNG

Die Klimakonferenz in Sharm El Sheik, die COP 27, ist zu Ende. Vielfach herrscht Enttäuschung - vor allem in Kreisen der Europäischen Union. Das betrifft vor allem die mangelnde Verankerung des Ausstiegs aus Öl und Gas in der Schlusserklärung. Die - ärmeren - Entwicklungsländer hingegen hoffen darauf, dass die Versprechungen, sie bei der Bewältigung der Klimaschäden zu unterstützen, eingehalten werden. Was gerade für die in Glasgow gemachten Zusagen nicht der Fall ist. Es ist jedenfalls zu früh, Enttäuschungen und Hoffnungen gegeneinander abzuwägen und vor allem zu früh, um die Bereitschaft der reichen Länder, ihre Versprechungen einzuhalten, zu beurteilen. Dennoch scheinen einige Bemerkungen zur COP 27 und zu den Debatten aus ihrem Anlass schon jetzt angebracht. 

Neuer Bevölkerungsrekord
Am Beginn der zweiten Halbzeit der Klimakonferenz kam die Nachricht, dass die Weltbevölkerung die 8 Milliarden Grenze erreicht hat. Und die Zahl, der auf der Erde lebenden Menschen, wird noch weiter steigen, auch wenn - je nach Prognose - gegen die Mitte des laufenden Jahrhunderts das Maximum erreicht sein wird. Aber bis dahin müssen wir mit einer wachsenden Bevölkerung rechnen. Das betrifft vor allem drei Regionen: Ost- und Südostasien, Zentral- und Südasien und Afrika südlich der Sahara, wo das rasanteste Wachstum zu verzeichnen ist. Auf Länder bezogen sollen in diesem Zusammenhang beispielsweise Indien, Pakistan und Nigeria erwähnt werden. 

Mehr Menschen bedeutet vor allem wachsende Inanspruchnahme der Ressourcen dieser Erde. Und mehr Menschen in armen Ländern heißt vor allem auch mehr Menschen in Regionen, die von Umweltkatastrophen stärker belastet sind. Und tendenziell sind das auch die Länder, wo noch immer große Armut herrscht, und in denen der Druck auf einen wirtschaftlichen und sozialen Aufholprozess groß ist. Und das heißt insbesondere, dass in ihnen die Nachfrage nach Energie steigt. Und die Abhängigkeit des Auf- und Nachholprozesses von der Energieversorgung hat wahrscheinlich viele Entwicklungsländer davon abgehalten den Ausstieg aus Öl und Gas in der Schlusserklärung zu verankern. Überdies weisen manche dieser Länder selbst umfangreiche Vorkommen von Öl und Gas auf und auch die Europäische Union hofft, in den nächsten Jahren von diesen Ländern mit diesen Ressourcen beliefert zu werden. 


Sonderfall Afrika

Für Afrika stellen sich dabei besondere Probleme. Einerseits kann, wie Christiane Figueres und Vanessa Nakate in der FAZ vom 21.11. schreiben, Afrika eine besondere klimapolitische Rolle spielen: „Ein Kontinent wie Afrika - reich an den besten Sonnen-, Wind- und Gezeitenkräften der Welt und voller unternehmerischem Talent und Gemeinsinn - kann das erneuerbare Kraftwerk der Welt werden. Afrika verfügt über 39% des weltweiten Potentials für erneuerbare Energien, erhält aber nur zwei Prozent der weltweiten Investitionen.“ 

Eine Forschergruppe unter der Koordination von Yacob Mulugetta hat sich die möglichen Energie-Strategien für Afrikas Staaten angesehen und im Magazin „nature Energy“ veröffentlicht. Äthiopien hat sich für eine grüne Strategie der Nachhaltigkeit entschieden. Südafrika hat sich für den Kohleausstieg entschieden und diesen - nicht zuletzt bei der COP in Glasgow - geopolitisch abgesichert. Allerdings hat die südafrikanische Regierung kritisiert, dass die finanzielle Unterstützung der reichen Länder für die Transformation ungenügend ausfällt. Länder wie Mozambique, Tansania, Nigeria und Senegal stehen vor schwierigen Entscheidungen. Die kurzfristig gestiegene Nachfrage nach fossilen Energien in Folge des Ukraine Krieges könnte sie in einen langfristig risikoreichen Entwicklungspfad treiben. Nun gilt es durch die Entwicklung einer gemeinsamen Strategie zwischen nachfragenden Staaten, vor allem aus Europa - aber auch aus China - und den afrikanischen Staaten, den kurzfristigen Gas- und Öl-Hype mit den langfristigen Interessen nach Versorgung mit billigen und nachhaltigen Energien zu verknüpfen. 

Weil solche Fragen im Mittelpunkt energiepolitischer Diskussionen standen, wurde von manchen die COP27 auch als Afrikanische Klimakonferenz bezeichnet. Allerdings auch weil der Klimawandel gerade auch in Afrika viele Schäden mit geopolitischen Konsequenzen hervorrufen. 


Entschädigungsfonds
Schon im letzten Bericht an den Club of Rome - Earth for All - machen die AutorInnen auf die Notwendigkeit einer gerechteren Verteilung der Ressourcen aufmerksam (siehe dazu meinen Kommentar „Eine Welt für Alle“ auf dieser Website). Insofern ist die Vereinbarung zur Unterstützung der Länder, die von Klimaschäden besonders betroffen sind, grundsätzlich zu begrüßen. Der Skandal ist, dass eine solche Vereinbarung für viele Jahre am Widerstand der reichen Länder gescheitert ist. Immer wieder muss unterstrichen werden, dass - und das macht der „Earth for All“ Bericht dankenswerter Weise ziemlich klar - ohne Verteilungsgerechtigkeit und ohne Bekämpfung der extremen Armut der Klimapolitik kein Erfolg beschieden wird. 

Dabei geht es nicht nur um moralische Gerechtigkeit und um Wiedergutmachung, sondern auch um vorausschauende Politik. Verschiedene Studien belegen, dass klimatische Verschlechterungen eine der Ursachen für Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen sind. Sie verschlechtern die Lebensbedingungen, vor allem die Möglichkeiten der Landwirtschaft und verstärken die Migrationsströme. Und auch wenn die meiste Migration eine Binnenmigration - innerhalb der Landesgrenzen oder im selben Kontinent – darstellt, so stellen schon jetzt die globalen Wanderungsbewegungen Europa vor große Herausforderungen. So ist die - wenn auch begrenzte - Bereitschaft der reichen Länder und vor allem der Europäischen Union, für die Behebung der, vor allem von ihnen verursachten Klimaschäden, aufzukommen, vor allem ein Akt des Eigeninteresses.

Wenn man die Länder betrachtet, in denen die Verbindung von Konflikten und Klimawandel besonders die Versorgung mit Nahrungsmittel bedrohen, so sind das Süd-Sudan, Jemen, Syrien, Afghanistan, Zentralafrika, Haiti, Somalia, Madagaskar etc. Aber schon auf Grund der Größe der Länder und dem oben erwähnten Bevölkerungswachstums sollen hier auch Nigeria, die Demokratische Republik Kongo und Pakistan erwähnt werden. Die finanzielle Unterstützung dieser Länder mittels eines Entschädigungsfonds ist eine Riesenaufgabe. Der Entschädigungsfonds sollte allerdings mehr an Zuschüssen vergeben und nicht nur Kredite, die die meist ohnedies hohe Verschuldung der Empfängerländer erhöhen. So hat vor allem Südafrika beklagt, dass die in Glasgow versprochenen Mittel zum Kohleausstieg einen zu hohen Anteil an Krediten erhalten. 

Und natürlich braucht es auch einer demokratischen und effizienten Regierung und Verwaltung in diesen Ländern, die für eine klimagerechte Verwendung der Mittel sorgen. Dabei geht es vor allem auch darum, die Siedlungsentwicklung so zu gestalten, dass die Menschen von klimabedingten Katastrophen möglichst geschützt sind. 

Bekämpfung oder Anpassung
Parallel zur Klimakonferenz ist in den Medien aber auch unter ExpertInnen eine Debatte entfacht, inwieweit wir zur Kenntnis nehmen sollten, dass die Pariser Klimaziele, vor allem das 1,5 Grad Ziel, nicht erreichbar sind. Einerseits ist die Belastung der Umwelt mit CO2 - und bei der Klimakonferenz ist auch besonders auf die Gefährdung durch ausströmendes Methangas hingewiesen worden - schon zu groß. Anderseits ist auch bei optimistischen Annahmen der Bereitschaft zum raschen Handeln - zum Beispiel zur Umsetzung der Energiewende - kaum mit der Erreichung der Klimaziele zu rechnen. So titelte der Economist seine Ausgabe zu Beginn der COP 27 mit „SAY GOODBYE TO 1.5*C“. 

Und in einer Sonderausgabe der New York Times zur COP27 mit dem Titel: “Die Neue Welt: Wie sieht die Welt nach dem Klimawandel aus” schreiben die AutorInnen:” Das wahrscheinlichste Ergebnis ist weder die Rettung noch die Apokalypse: eine Erwärmung zwischen zwei und vier Grad in diesem Jahrhundert. Der Planet wird unwiderruflich verändert, aber das Leben geht weiter.“ Zu diesen unwiderruflichen Veränderungen zählen viele Hitzewellen mit einer großen Anzahl von Hitzetoten, Verschlechterung der landwirtschaftlichen Bedingungen in vielen Regionen auf Grund der Hitze und mangelnden Regens, aber anderseits vermehrte Unwetter in anderen Regionen, stärkere Wanderungsbewegung von Menschen und Tieren und dadurch auch Verbreitung von Krankheitserregern und damit die Entstehung von Epidemien etc. 

Die Aufzählung dieser voraussichtlichen Auswirkungen der Klimaveränderungen sollten Anlass genug sein, die klimapolitischen Anstrengungen zu verstärken. Aber ein gewisser Realismus lässt anderes erwarten. Und deshalb waren anerkannte ExpertInnen davor allzu schnell die Klimaziele von Paris aufzugeben, auch wenn sie zustimmen, dass es kaum möglich sein wird, das 1,5*C Ziel zu erreichen und selbst das 2,0*C Ziel ist schwer erreichbar. Allzu leicht könnte das die ohnedies schwachen Bemühungen in der Klimapolitik noch weiter unterlaufen. Und insofern war es wichtig bei der COP 27 eine Verwässerung der Klimaziele zu verhindern. 

 

Anderseits kann man argumentieren, dass die Augen vor den Realitäten zu verschließen auch nicht viel Sinn macht. Vor allem kann es bedeuten, Menschen ungeschützt zukünftigen Klimakatastrophen auszusetzen. Es geht also darum, wie man ehrgeizige Ziele aufrecht erhält und die Bekämpfung des Klimawandels in den Mittelpunkt rückt aber anderseits auch die Menschen vor den unausweichlichen Konsequenzen des Klimawandels schützt.   


Dr. Hannes Swoboda, President of the International Institute for Peace (IIP), started his career in urban politics in Vienna and was elected member of the European Parliament in 1996. He was Vice President of the Social Democrat Group until 2012 und then President until 2014. He was particularly engaged in foreign, enlargement, and neighborhood policies. Swoboda is also President of the Vienna Institute for International Economics, the Centre of Architecture, the University for Applied Science - Campus Vienna, and the Sir Peter Ustinov Institute.