Wahlen in den USA – Notstand möglich?

Darüber dass das ungarische Parlament ein Gesetz verabschiedete, das dem Premierminister ermöglicht, Notverordnungen auf unbestimmte Zeit ohne Zustimmung der Abgeordneten zu verhängen, wurde weithin berichtet. Aber ist eine derartige Entwicklung auch in den USA möglich?

Falls die Wahlen im November nicht stattfinden können, kann Präsident Trump einfach weiterregieren oder gar mit einer Notverordnung ihm selbst eine dritte Amtszeit ermöglichen? Auf diese Fragen gibt die US-Verfassung nur teilweise Antwort.

Eine dritte Amtsperiode für einen US-Präsidenten in der Krise?

Der 22. Zusatzartikel der Verfassung erlaubt keine dritte Amtszeit. Mehrere Präsidenten (Eisenhower, Reagan, Clinton) haben mit dem Argument, dass Krisen- und Kriegszeiten eine anerkannte Persönlichkeit an der Spitze des Staates stehen sollte, eine Änderung vorgeschlagen. Diese Vorschläge wurden aber nie aufgegriffen. Eine Änderung ist zwar prinzipiell möglich, aber sehr aufwendig und kann Jahre, ja Jahrzehnte dauern. Der Kongress kann einen Vorschlag einbringen oder auf Antrag von zwei Dritteln der Bundesstaaten einen Verfassungskonvent einberufen. Beide Häuser und drei Viertel der Bundesstaaten müssten zustimmen. Keine Chance, dass Trump diese Zustimmung bekommen würde.

Verschiebung der Wahlen?

Die Präsidentschaftswahlen können kaum verschoben werden. Das Bundesgesetz von 1845 müsste geändert werden. Zwei Drittel Mehrheit beider Häuser und die Unterschrift des Präsidenten sind dazu notwendig und die Entscheidung kann außerdem von den Gerichten beeinsprucht werden.

Selbst wenn dieser Fall eintritt, schreibt die Verfassung noch vor, dass der neue Kongress am 3. Jänner eingeschworen werden und die Präsidentschaft am 20. Jänner beginnen muss. Keine Änderung ist möglich! Der Präsident selbst darf durch Notverordnung keine Wahl verschieben! Er darf nicht einfach weiterregieren.

Was ist, wenn die Wahlen dann nicht stattfinden können? Dieser Fall ist in der Verfassung nicht vorgesehen; meiner Meinung nach, würde dann der Vizepräsident die Amtsgeschäfte übernehmen. Eine Alternative wäre, dass der Präsident einen neuen Vizepräsidenten ernennt, da ja keine neuen Wahlen stattgefunden haben (25. Verfassungszusatz). Präsidentschaftsdekrete anderer Art sind vorstellbar, aber noch nicht vorhersehbar.

Was passiert mit den Vorwahlen der Demokraten?

Was ist, wenn die Demokratische Partei die Vorwahlen nicht zu Ende führen können? Die Verfassung der USA regelt die Vorwahlen nicht. Das ist Parteiensache. So hatte das DNC (Democratic National Committee) vorerst festgelegt, dass alle Vorwahlen am 9. Juni fertig sein müssen und der Parteitag am 20. Juni in Milwaukee stattfindet, sonst würden Strafen drohen. Der Termin des Parteitages wurde nun auf Mitte August verschoben. Gouverneure der Bundesstaaten können Vorwahlen in einzelnen Bundesstaaten verschieben (wie schon in Louisiana und Georgia). Wenn das nicht möglich ist, muss das DNC eine Entscheidung treffen.

Die Gründungsväter der amerikanischen Verfassung haben viele Barrieren eingebaut, damit aus der Demokratie keine Diktatur wird. Ausnahmesituationen können aber Bedingungen schaffen, die nicht in der Verfassung vorgesehen sind und für die neue Maßnahmen verhängt werden können, deren Konsequenzen nicht absehbar sind.


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Univ. Prof. Dr. Heinz Gärtner is a lecturer in the Department of Political Science at the University of Vienna and at Danube University. He was academic director of the Austrian Institute for International Affairs. He has held various Fulbright Fellowships and the Austrian Chair at Stanford University. He was Austrian Marshall Plan Foundation Fellow at the Johns Hopkins University in Washington DC. Among other things, Gärtner chairs the Strategy and Security advisory board of the Austrian Armed Forces and the Advisory Board of the International Institute for Peace (IIP) in Vienna. He has published widely on international security, nuclear non-proliferation and disarmament, US foreign policy, geopolitics, Iran, and the Middle East.