Die Situation an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland muss man als humanitäre Katastrophe betrachten. Die Tatsache, dass viele Mitgliedsstaaten der EU Griechenland allein gelassen haben, hat auf etlichen griechischen Inseln zu einer humanitären Katastrophe geführt. Schon längst hätte man viele Flüchtlinge auf mehrere europäische Länder verteilen können. Noch ist es nicht zu spät, wie vor kurzem der österreichische Bundespräsident klar gesagt hat. Diesbezüglich sollte auch die österreichische Regierung schnellstens aktiv werden.
Auf der anderen Seite müsste man rasch zu einem neuen Abkommen der EU mit der Türkei kommen. Dass Erdogan die prekäre Situation der Flüchtlinge für seine Zwecke nutzt und die EU damit unter Druck zu versetzen versucht, ist jedenfalls zu verurteilen. Dennoch müssen wir auch berücksichtigen, dass die Türkei beinahe 4 Millionen Flüchtlinge zu versorgen hat – in absoluten Zahlen mehr als jeder andere Staat. Das ist auch für die Türkei, angesichts seiner ökonomischen Lage, eine große Aufgabe. Dazu kommt, dass Erdogan innenpolitisch und außenpolitisch in einer Weise agiert, die den europäischen Werten diametral entgegenstehen. Das Justizwesen steht unter Druck und außenpolitisch spielt das türkische Militär in Syrien und hier vor allem aktuell in Idlib eine zwiespältige Rolle. Dazu kommt, dass das russische und vor allem syrische Militär unter Assad exzessive Gewalt anwenden, die Millionen Menschen zu Flüchtlingen macht und sie ihrer Heimat und Lebensgrundlage beraubt. All diese Kritik löst jedoch nicht die momentane prekäre Situation in der sich die Menschen in Idlib und auf den griechischen Inseln befinden. Erdogan mag, gemeinsam mit Putin, versucht haben, sich ein Mitspracherecht über die Macht-Ressourcen- und Wiederaufbauverteilung im Nachkriegssyrien zu sichern – auch um eine starke kurdische Region an seinen Grenzen zu verhindern. Das ändert jedoch nichts daran, dass sich Europa zu lange weitgehend aus dem Konflikt herausgehalten hat und nun in einer Nebenrolle nurmehr Kommentare zu den besorgniserregenden Entwicklungen abgeben kann.
Koert Debeuf meinte vor kurzem in einem Kommentar im EU Observer: „ Europe should stop wars instead of refugees“ und meinte damit wohl, dass die Europäer auch militärisch in den Konflikt in Syrien eingreifen hätten sollen. Dabei stellt sich jedoch die berechtigte Frage, ob Russland eine solche Intervention akzeptiert bzw. dabei zugesehen hätte.
Die Debatte über das was Europa hätte tun können bzw. müssen, um den Krieg in Syrien zu verhindern wird noch lange dauern. Jetzt gilt es aber vor allem das Leid der Flüchtlinge soweit es geht zu lindern. Dabei geht es nicht um die prinzipielle Öffnung der Grenzen, sondern um eine adäquate und humane sowie effektive Hilfe für die Menschen vor Ort, aber auch um langfristige Unterstützung und Solidarität mit jenen EU-Ländern, die sich an den Außengrenzen befinden. Dass diese Entwicklungen angesichts der zunehmenden rechtspopulistischen und rechtsextremen Rhetorik vieler (auch traditioneller) Parteien in Europa Auswirkungen auf den Stellenwert der Demokratie und der Menschenrechte in der EU haben, darf dabei nicht unterschätzt oder hingenommen werden.
Gabriel Felbermayr und Matthias Lücke vom Kieler Institut für Weltwirtschaft haben ausgerechnet, dass die Kosten für die Aufnahme, Versorgung und Integration der Flüchtlinge in der Türkei bei jährlich 10Mrd Euro liegen. Die EU muss hier einen entsprechenden Beitrag leisten und der muss über das hinausgehen, was bisher geleistet wurde. In einem Beitrag in der FAZ meinen sie: „Wirtschaftlich und humanitär ist die Unterstützung der Türkei die beste Option, die es derzeit gibt.“ Dem kann nur zugestimmt werden.
Dr. Hannes Swoboda, President of the International Institute for Peace (IP), started his career in urban politics in Vienna and was elected member of the European Parliament in 1996. He was Vice President of the Social Democrat Group until 2012 und then President until 2014. He was particularly engaged in foreign, enlargement, and neighborhood policies. Swoboda is also President of the Vienna Institute for International Economics, the Centre of Architecture, the University for Applied Science - Campus Vienna, and the Sir Peter Ustinov Institute.
Mag. Stephanie Fenkart MA is Director of the International Institute for Peace (IIP) since 2016. She has an MA in Development Studies from the University of Vienna and an MA in Human Rights from the Danube University, Krems. She is furthermore a member of the Advisory Committee for Strategy and Security Policy of the Scientific Commission at the Austrian Armed Forces (BMLV). She is also a board member of the NGO Committee for Peace, Vienna.