Die Gefährlichkeit einer „lahmen Ente“

Historische Analogien

In den Übergangsperioden zwischen zwei US-Präsidenten wird der scheidende Präsident „als lahme Ente“ bezeichnet, weil er handlungsunfähig geworden wäre. Außenpolitisch trifft das nicht zu. Ganz im Gegenteil, sie ist eine sehr sensible, ja gefährliche Zeit. Der alte Präsident kann seinem Nachfolger neue Krisen hinterlassen, entweder um ihm Schwierigkeiten zu machen oder um das eigene Vermächtnis zu festigen. Präsident Eisenhower hinterließ Präsident Kennedy multiple Krisen. Er autorisierte Programme für Putsche in Kongo und der Dominikanischen Republik. In Kuba endete dieser Versuch in dem für Kennedy demütigenden Scheitern der „Schweinebuchtaffäre“. Eisenhower begann außerdem die militärische US-Einmischung, die zu den endlosen Kriegen in Südostasien führte. George H. W. Bushs Intervention in Somalia endete mit den für die für die USA und Präsident Clinton erniedrigenden Bildern, die tote US-Soldaten zeigten, die durch die Straßen von Mogadishu geschleppt wurden.

Nicht ohne Verbündete

Es ist nicht überraschend, dass Präsident Trump die Übergangsperiode nicht ungenutzt verstreichen lassen würde. Sein „maximaler Druck“ auf den Iran brachte weder das Ende des Nuklearprogramms (JCPOA), noch die gewünschte Verhaltungsänderung des Iran, und auch nicht den Sturz dessen Regierung. Er nützt das letzte noch offene Fenster, um zu verhindern, dass sein Nachfolger Bilden die Beziehungen mit dem Iran verbessert und zum JCPOA zurückkehrt. Die schiere geopolitische Macht des Iran stört den Einfluss der USA und dessen Nachbarn im Persischen Golf. Das JCPOA hätte die Position des Iran anerkannt und die Beziehungen der USA und der EU mit dem Iran normalisiert. Es hätte auch dem Argument, der Iran entwickle Nuklearwaffen, Wind aus dem Segeln genommen, weil es auch ein permanentes umfassendes Überwachungsprogramm installiert hätte. Seine Berater hätten Trump von einem von ihm beabsichtigten militärischen Angriff auf den Iran laut eines Berichts der New York Times vom 16.11. (https://www.nytimes.com/2020/11/16/us/politics/trump-iran-nuclear.html) abgehalten. Es wäre auch übereilt gewesen. Für eine derartige Aktion braucht man Verbündete in der Region. Diese fand Außenminister bei seiner darauf folgenden Reise in den Mittleren Osten in dem allzu bereiten israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu und dem saudischen Kronprinzen Bin Salman. Der Grundstein für ein Bündnis war bereits mit den diplomatischen Annäherungen zwischen Israel und einigen arabischen Staaten in den letzten Monaten gelegt worden. Zudem wurden amerikanische Truppen aus der Weitreiche iranischer Raketen abgezogen aber Flugzeugträger und Bomber in die Region geschickt.

Der Tod eines Wissenschaftlers

Nach diesen Konsultationen wurde, wer immer der Ausführende war, der iranische Atomphysiker Mohsen Fakhrizadeh, der auch eine militärische Funktion hatte, ermordet. Der Iran soll zu unbedachten Reaktionen provoziert werden, was wohl tatsächlich zu einem Krieg führen würde. Dass es nicht um das Atomprogramm des Iran, das nicht waffenfähig ist und weiter gehen wird, geht, zeigt, dass vor fast einem Jahr dasselbe mit der Ermordung von General Soleimani versucht wurde. Die iranische Reaktion fiel damals verhalten aus. Amerikanische Opfer gab es nicht. Würde es sie diesmal geben, wäre das für die USA Anlass genug, den Iran militärisch zu bestrafen. Israel und arabische Staaten stehen Gewehr bei Fuß.


Heinz Gaertner.jpg

Univ. Prof. Dr. Heinz Gärtner ist Lektor an den Universitäten Wien und Krems sowie Vorsitzender des Beirates des International Institute for Peace (IIP) sowie des Beirates Strategie und Sicherheitspolitik der Wissenschaftskommission des Österreichischen Bundesheeres. Bis Ende 2016 war Heinz Gärtner wissenschaftlicher Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik. Er hatte zahlreiche internationale Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren. Er publizierte zahlreiche Bücher und Artikel zu Fragen der USA, internationaler Sicherheit, Abrüstung und Rüstungskontrolle. U. a. ist er Autor des Buches „Der Kalte Krieg“, marixwissen, 2017.