Es gibt viele Definitionen von Terrorismus und sie enthalten verschiedene Elemente. Vor allem ist Terrorismus politische Gewalt, die sich bewusst und wahllos gegen Zivilisten richtet. Die Terrorattacken in Frankreich erfüllen diese Bedingungen. Terrorismus gibt es unabhängig davon, ob er politischer, ideologischer, oder religiöser Natur ist. Die Beifügung „islamischer Terrorismus“ ist nicht erforderlich, um Terrorismus zu identifizieren. Oberflächlich betrachtet, sind die Anschläge Racheakte von radikalen islamistischen Personen, die sich an den Mohammed Karikaturen rächen wollen. Die französische Regierung verteidigt daraufhin die Meinungsfreiheit in einer laizistischen Gesellschaft. Dazu wäre es aber nicht nötig, dass Präsident Macron die „höchste Terrorwarnstufe“ ausrufen ließ. Die Bedrohungswahrnehmung für die Gesellschaft muss größer sein. Es wird befürchtet, dass der Terrorismus Furcht verbreiten soll, weitreichende politische Veränderungen der Gesellschaft zu erreichen. Die Reaktionen auf die Karikaturen und die Terroranschläge in vielen Teilen der Welt weisen darauf hin, dass diese französischen Maßnahmen nicht unberechtigt sind. Sie offenbaren eine tiefe Spaltung der französischen Gesellschaft einerseits und die Existenz zahlreicher Konflikte Frankreichs mit einer Reihe von islamischen Ländern andererseits. Aus ihnen sind viele moslemische Bürger eingewandert. Erinnerungen an die Kolonialmacht Frankreich mögen bei einigen Ländern mitspielen. Die Spannungen mit der Türkei sind am sichtbarsten. Frankreich und die Türkei stehen im Libyenkonflikt auf verschiedenen Seiten, die Rolle der ehemaligen Kolonialmacht im Libanon wird mit Misstrauen betrachtet. Religion wird von allen Seiten benutzt. Französische Politiker sehen in den Anschlägen einen „islamischen Terrorismus“, islamische Länder kritisieren Frankreich wegen „anti-muslimischer Maßnahmen“, die Terrorgruppe des „Islamischen Staates“ sieht in den Terroristen ihre Anhänger. Die Terroristen selbst sind Erfüllungsgehilfen von vielfältigen politischen Absichten. Um den Konflikt zu entschärfen, reicht es nicht aus, die höchste Terrorwarnung auszurufen. Alle verantwortungsvollen Beteiligten müssen Religion von Terror lösen – auch in der Rhetorik.
Univ. Prof. Dr. Heinz Gärtner ist Lektor an den Universitäten Wien und Krems sowie Vorsitzender des Beirates des International Institute for Peace (IIP) sowie des Beirates Strategie und Sicherheitspolitik der Wissenschaftskommission des Österreichischen Bundesheeres. Bis Ende 2016 war Heinz Gärtner wissenschaftlicher Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik. Er hatte zahlreiche internationale Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren. Er publizierte zahlreiche Bücher und Artikel zu Fragen der USA, internationaler Sicherheit, Abrüstung und Rüstungskontrolle. U. a. ist er Autor des Buches „Der Kalte Krieg“, marixwissen, 2017.