Österreich hat durch die Annäherung an die US-Regierung von Donald Trump in den letzten Jahren viel an außenpolitischem Spielraum verspielt und damit einen fliegenden Start nach dem Präsidentenwechsel in der USA versäumt. Durch die einseitige Positionierung etwa im Nahen Osten oder dem Iran-Streit hat Wien die Glaubwürdigkeit der Unabhängigkeit eingebüßt. Österreich ist nicht mehr am Radar der Biden-Administration, wenn überhaupt, dann negativ. Da ist sehr viel diplomatisches Geschirr zerschlagen worden. Österreich wird nun in Washington in einem Topf mit Ländern wie Polen, Tschechien, Ungarn und Boris Johnson gesehen. Die Neutralität Österreichs ist zwar vorhanden, aber in der Außenpolitik nicht mehr sichtbar. Die Regierung Kurz hat eigentlich fast alles akzeptiert, was die Trump-Administration vorgegeben hat, ohne Alternativen denken und zu entwickeln. Österreich hat den sogenannten Kushner-Plan sogar ziemlich vorbehaltlos unterstützt und ist sogar weiter gegangen ist als die Europäische Union. Dies hat zu einer weiteren Entfremdung mit den Palästinensern geführt, weil damit die Zweistaaten-Lösung faktisch aufgegeben wurde. Nun da Biden zu dieser Zwei-Staaten-Lösung zurückkehrt, hätte sich Österreich angeboten als Vermittler oder als Gastgeber für Gespräche anbieten können. Aber Österreich hat Glaubwürdigkeit eingebüßt, weil sie nicht beide Seiten gleich behandelt haben.
Ähnlich sei es mit dem Iran-Konflikt. Dass das Atomabkommen 2015 in Wien abgeschlossen worden, sei ein diplomatischer Erfolg gewesen, weil Österreich traditionell gute Beziehungen zum Iran hatte. Mittlerweile hat Österreich das Atomabkommen, aus dem die USA unter Trump ausgestiegen sind, zwar nicht verworfen, aber auch nicht verteidigt. Außerdem beteiligt sich Österreich nicht an dem von Deutschland, Frankreich und Großbritannien gegründeten Instex-Mechanismus, um den Handel zwischen Europa und dem Iran trotz US-Sanktionen weiter zu ermöglichen.
Nachdem Biden zum Atomabkommen zurückkehren und auch die Raketenfrage mit einbeziehen wird, könnte es Verhandlungen zur regionale Rüstungskontrolle geben. Der Iran wird Österreich nicht mehr als Verhandlungsort akzeptieren. Der Iran ist mittlerweile extrem misstrauisch geworden gegenüber Österreich.
Picture: Gage Skidmore
Univ. Prof. Dr. Heinz Gärtner ist Lektor an den Universitäten Wien und Krems sowie Vorsitzender des Beirates des International Institute for Peace (IIP) sowie des Beirates Strategie und Sicherheitspolitik der Wissenschaftskommission des Österreichischen Bundesheeres. Bis Ende 2016 war Heinz Gärtner wissenschaftlicher Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik. Er hatte zahlreiche internationale Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren. Er publizierte zahlreiche Bücher und Artikel zu Fragen der USA, internationaler Sicherheit, Abrüstung und Rüstungskontrolle. U. a. ist er Autor des Buches „Der Kalte Krieg“, marixwissen, 2017.